SPIRITUS MORTIS, VIRGINS OF THE SEVEN SEAS / 16.11.2022 – Fundbureau, Hamburg

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Das 2016er Album “The Year Is One” der Finnen SPIRITUS MORTIS zählt zusammen mit WARNINGs “Watching From A Distance” und REVEREND BIZARREs „Crush The Insects“ zu den besten Doom-Metal-Alben der letzten 30 Jahre. Diese rein subjektive Einordnung ist mir sechs Jahre nach Erscheinen und zahllosen Hörungen mittlerweile möglich. Auch die in diesem Jahr erschienene Scheibe „The Great Seal“ besitzt die Macht alles zerstampfender Riffs und epischer Melodien. Und wenn ich es zuerst bedauerte, dass Albert Witchfinder der Band nicht mehr zur Verfügung steht, so gefällt mir sein Nachfolger Kimmo Perämäki (seit 2018 dabei) mit jedem Durchgang besser, wächst auch diese Platte stetig zu einem Monster heran. Insofern elektrisierte mich die Nachricht, dass SPIRITUS MORTIS zwischen ihren Festivalauftritten auf dem DOOM OVER VIENNA und dem HAMMER OF DOOM einen Stopp im Hamburger Fundbureau einlegen. Der Dank hierfür gilt der Konzertgruppe DOOM IN BLOOM, die in letzter Zeit häufiger positiv auffielen mit Konzerten von THRONEHAMMER, ESOTERIC oder MIRROR OF DECEPTION in Berlin und Hamburg. SPIRITUS MORTIS existieren ohne Pause seit 1987 und gastieren meines Wissens zum ersten Mal in Hamburg. Hin!

 

SPIRITUS MORTIS

Bilder von Tobias Piwek und Torsten Matzat. 

 

Beim Street Boozing vorm Fundbureau genießen wir es, der zappeligen Großstadt-Hektik zuzuschauen. Wir stehen trocken unter den S-Bahn-Brücken im Dreieck zwischen Bar 227, Astra Stube und Fundbureau, schlürfen genüsslich unser Bier und beobachten die im Regen vorbeihastenden Mutantenhorden, können uns dabei angesichts der über uns hinwegdonnernden S-Bahnen kaum akustisch verständigen und wissen dennoch, was die anderen spüren: Vorfreude auf eine Verdoomung der Extraklasse.

 

VIRGINS OF THE SEVEN SEASVIRGINS OF THE SEVEN SEAS 

 

Zunächst präsentiert sich uns ein Hamburger Supportact namens VIRGINS OF THE SEVEN SEAS. Ihre Musik beschreibt die Band selbst als Stoner Punk Rock, wobei ich durchaus Anknüpfungspunkte zum Doom wahrnehme. Der Sänger singt recht klar und hoch, bricht aber bisweilen auch in Schreie und psychotisches Flüstern aus. Das Tempo ist für die obige Stilbezeichnung eher moderat gehalten. Ich werde insgesamt nicht mitgerissen, was ich aber nicht der Band anlasten möchte. Für einen Verriss machen VOTSS ihre Sache zu ordentlich, es liegt wohl an mir selbst, der gerade Bock auf eine Doom-Schelle mit großen Melodien hat. Die VIRGINS können also frühestens bei einer weiteren Begegnung endgültig beurteilt werden, schließlich hat jede:r das Recht auf eine zweite Chance. 

 

In der Pause kann doch glatt das neue B.S.T-Album „Herbst“ abgeerntet werden, weil deren Schlagzeuger Jan G. Exemplare mitgebracht hat. Ich rate zum Genuss, schlagt zu, das Ding ist ein fucken Killer. Aber beschwert euch nicht bei mir, wenn ihr beim Hören flennen müsst. 

 

SPIRITUS MORTISSPIRITUS MORTIS

 

RABUMM! SPIRITUS MORTIS packen gleich beim ersten Stück so dermaßen die Keule aus, dass alle Besucher:innen dreinblicken, als hätten sie gerade Bekanntschaft mit Negans „Lucille“ gemacht. Ungepflegte Gesichtsauswuchtung also gleich mit dem Opener „The Man Of Steel“ vom 2009er Album „The God Behind The God“. Mit einem derartigen Uptempo-Biest ins Set einzusteigen, ist ungewöhnlich für eine Doomband. Aber Doom wird eben nicht nur durch Langsamkeit definiert, sondern u.a. auch durch eine gewisse epische Wucht. Sofort fällt auf, wie unfasslich tight die Finnen zusammen spielen. Zwei von ihnen sind Brüder, die (mindestens) seit der Bandgründung 1987 (noch als RIGOR MORTIS) gemeinsam musizieren, nämlich Gitarrist Jussi Maijala und Bassist Teemu Maijala. Noch geiler wird es gar mit „Robe Of Ectoplasm“, einer Doom-Herrlichkeit vom eingangs erwähnten „The Year Is One“-Album. Der Sound ist brutal und transparent zugleich, spätestens jetzt befindet sich jede:r Zuschauer:in im unnachgiebigen Griff des Riffs. Heavy Heavy Heavy, heaviest in town – das sangen zwar andere Heroen, aber es kommt mir beim Bangen wieder mal in den Sinn. Sänger Kimmo Perämäki stemmt diese älteren Stücke souverän und noch abwechslungsreicher als auf Platte. Mal schmettert er im schönsten Rob-Lowe-Timbre, mal packt er einen wütenden und zupackenden Rob Halford aus. Mit „Feast Of The Lord“ kommen SPIRITUS MORTIS zu Material der aktuellen Scheibe. Was für eine herrliche Melodie! Und dabei so ein zwingender Beat, dass man einfach Doomdancing betreiben muss (manch Anwesender vielleicht nur innerlich). Weitere Stationen heißen „Matyrdom Operation“, „Death Bride“, „Skoptsy“, „Forever“, „Death’s Charioteer“, „The Rotting Trophy“ und schließlich „Holiday At The Cemetary“ mit der unsterblichen Zeile “Necrophile, born to die, a connoisseur of death”. Eine Atempause ist nicht dabei, zahlreiche Momente beamen dir grimmige, gleichzeitig triumphierende Riffs ins Hirn, immer mal durchbrochen von einer depressiven Fragilität. Die Schönheit dieser Musik ist sicher nicht jedem Menschen vermittelbar, aber das ist auch gut so.

 

SPIRITUS MORTISSPIRITUS MORTIS

 

Fazit: MASSIV.

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