FATIGUE, FRAUPAUL / 30.12.2022 – Kiel, Schaubude

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Das letzte Konzert 2022 ist für mich ein komplettes Überraschungsbonbon. Ich kenne keinen Ton der beiden angekündigten Bands, weiß noch nicht mal deren Namen, bevor wir vorm Buden-Kundenstopper stehen. Ich liebe sowas ja und kann es unbedingt weiterempfehlen. Ich habe mich schon häufig einfach mitschnacken lassen oder bin aus Bock irgendwo allein hingegangen – manche dieser Konzerte waren legendär.

Im Nachhinein stelle ich fest, dass ich FATIGUE vom Namen her doch schon kannte, sind sie doch im aktuellen PLASTIC BOMB mit einem Interview vertreten. Egal, let’s gooooooo!

 

Kundenstopper

Bilder von MJ und Dennis Otto

 

Huch, wat ist die Bude voll! Wir hatten mit zehn oder zwanzig Figuren gerechnet, die einsam in ihr Bier heulen. Doch mitnichten, die Hütte brummt und es liegt gar eine gewisse Erwartungshaltung in der Luft.

 

FRAUPAULFRAUPAUL

 

FRAUPAUL haben schon mal einen Sympathiepunkt eingesackt, bevor sie überhaupt beginnen. Die Sängerin/Gitarristin tüdelt alles zurecht, blickt dann hoch, guckt erstaunt und meint: „Ey, voll die Leute hier drin!“ FRAUPAUL sind ein Trio aus Hamburg, das sich offenbar erst im April 2022 gegründet hat und heute bereits die 21. Show spielt. Respekt! Musikalisch geht es in Richtung melodischer Punkrock, zum Teil vielleicht einfach auch Rock. Das Ganze wird erfrischend knackig und derart gut gelaunt vorgetragen, dass es mitreißend wirkt. Bis die Leute abgehen, dauert es ein paar Stücke, was ein Zwischenrufer auch moniert: „Ey, ist das ‘ne Stehparty hier?“ Schlagfertigt kontern FRAUPAUL: „Geiler als im Sitzen, oder?“ Wenig später geht aber auch ordentlich Pogo und Gehüpfe. Zu letzterem animiert die Band für meinen Geschmack etwas zu doll (gemeinsames Hinsetzen und Aufspringen). Geschenkt, muss man ja nicht mitmachen. Wichtiger sind die zahlreichen schön formulierten Textzeilen, die hängenbleiben: "Nimm die Hand aus meiner Hose, ich rede grad mit dir!", „Karten auf den Tisch. Kein Ass im Ärmel. Ich sag dir, was ich nicht und was ich noch viel mehr will“. Andere fallen mir jetzt zwar nicht mehr ein, aber immer wieder horcht man auf und freut sich. Insgesamt ein Kick-Ass-Auftritt mit viel Spaß inne Backen. Ob die Band mich auf Platte überzeugte, hinge sehr von der Produktion ab, die mit Pech zu glatt ausfallen könnte. Live hat das heute aber hinreichend Rotz!

 

FRAUPAULFRAUPAUL

 

FATIGUEFATIGUE 

 

Den Rotzfaktor steigern FATIGUE noch gehörig! Die Berliner*innen erwähnen in besagtem Interview mehrfach Grunge als Einfluss. Den höre ich heute nicht so sehr heraus, dafür bekommen ich und die proppevolle Bude aber eine gehörige Punk-Klatsche mit einer geradezu destruktiven Energie. Gut gelaunte Zerstörungswut! Der Mob wird auch sofort aktiviert und kommt so sehr in Fahrt, dass man schon einen Moment warten muss, um an der Pulle zu nuckeln, wenn man keinen Zahn riskieren möchte. Die Sängerin begibt sich wiederholt in die bebende Menge und schmettert über die erhitzen Köppe hinweg. FATIGUE reißen mit, fordern geradezu dazu auf, sich zu bewegen. Titel wie „Catcall“, „People I Wanna Punch“, „Fake Smile“ oder „Rat Race“ sprechen bereits deutlich aus, dass die Band den Begriff „Riot/Punkband“ wörtlich nimmt, patriarchalische und sexistische Strukturen bekämpft. Irgendwie verrückt, dass es gerade angesichts dieser Texte und Aussagen ein Mensch übertreiben muss, indem er derart rücksichtslos abgeht, dass er andere Besucher:innen zu Boden pogt. Aber die Nase kann zum Glück durch ein paar deutliche Worte seitens der Budencrew zur Räson gebracht werden. Manchen Leuten fehlt die Sensibilität, die Grenze zu erkennen, ab wann freundliches Geschubse zur Grenzüberschreitung wird. Egal, den Abend kann das nicht beeinträchtigen. FATIGUE kommen nicht ohne Zugaben von der Bühne. Ich ernte eine Kassette ihrer „Barbecue Times“-EP ab, die kommende LP kann bereits vorbestellt werden. Die muss auf jeden Fall auch ran, ich bin gespannt, ob ich die Grunge-Einflüsse dort deutlicher heraushöre.

 

FATIGUEFATIGUE_FRAUPAUL

 

Das war ein grandioses Jahresabschlusskonzert. Silvester can suck it! Ich freue mich schon auf die Konzerte, die uns 2023 bringen wird. Die Schaubude verspricht schon mal ein buntes Programm!

Bewertung: 5 / 5

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