50 Jahre Scherben Tour: Letzte Konzerttournee mit Sänger Gymmick
- Details
- Kategorie: Ankündigungen & Termine
- Veröffentlicht: Montag, 09. Januar 2023 13:48
- Geschrieben von Jörg Röschmann
- Zugriffe: 1466
Konzertankündigung:
Kai & Funky von Ton Steine Scherben mit Gymmick
50 Jahre Scherben Tour
Mittwoch 18. Januar 2023 Hamburg Logo
Freitag 20. Januar 2023 Kiel, Pumpe
Samstag 21. Januar 2023 Flensburg, Kühlhaus
Letzte Konzerttournee mit Sänger Gymmick
Kidd Viciouz + Gymmick. Im Hintergrund Kai Sichtermann Bild mit freundlicher Genehmigung von Norbert Czybulka
Noch einmal mit Wut!
Liebe Leute,
vor gut 15 Monaten habe ich an dieser Stelle eine umfangreiche Konzertkritik des grandiosen Auftritts von Kai & Funky von Ton Steine Scherben mit Gymmick (sowie Mischa Schöneberg und Kidd Viciouz) in der guten alten Mutter hansa48 zu Kiel veröffentlicht.
Deren Fazit ist einfach zusammengefasst:
- Wichtige Band
- Großartiges Gesamtwerk
- Phantastischer Sänger!
Ja, der Sänger:
Aber er ist doch nicht Rio.
Genau!
Und das ist absolut in Ordnung so!
Gymmick, mit bürgerlichem Namen Tobias Hacker, aus Nürnberg, seines Zeichens Karikaturist, Liedermacher und seit einigen Jahren die offizielle Stimme zur Renaissance von Kai Sichtermann (Bass) und Funky Götzner (Cajon) ist nicht nur der Mann, der die regelmäßigen Besuche der Rest-Scherben in Kiel seit ungefähr 2017 mit seiner unfassbar rauen und authentischen Stimme auch für Rio-Nostalgiker, die ja bekanntlich jeden anderen Vokalisten konsequent ablehnen, zu echten Erlebnissen gemacht hat.
Nein, er hat den altehrwürdigen Spontikämpfern mit dem weißen Haar auch die Wut zurückgegeben.
Diese heilige, weil berechtigte Punk-Wut, die auch der von so Vielen blind verehrte Reiser gegen Ende seiner Musikerlaufbahn scheinbar verloren hatte, was ihm nicht selten auch vorgeworfen wurde.
Diese originäre englische Wut, die ich bisher auf einer Bühne nur bei Hugh Cornwell von den Stranglers im Treibsand gespürt habe, dem ich trotz seines reifen Alters zu jedem Zeitpunkt zugetraut habe, dass er von jetzt auf gleich die Fäuste kreisen lassen würde, wenn ihm doch nur endlich mal einer blöd kommen würde.
Diese echte, authentische, und physisch fühlbare, ungebrochene, Respekt einflößende Wut der Underdogs, die nichts zu verlieren haben...
Diese verzweifelte Wut, die Greta Thunberg in ihrer „How-Dare-You-Rede“ eindrucksvoll zum Ausdruck bringt.
Diese Wut, die ausnahmslos allen mir bekannten Scherben-Interpret*innen der letzten Jahrzehnte, selbst Jan Plewka, abgegangen ist.
Diese glaubwürdige Wut, die all die norddeutschen Alt-Punker-Brauchtumspflege-Bands (einschließlich und ganz besonders SLIME) sowie die übrigen öffentlich bediensteten Berufswiderständler und arrivierten Grünen-Stammwähler aus ihren Reihenhaussiedlungen, die alle paar Wochen oder Monate mal von irgendwelchen Provinzbühnen den Umsturz skandieren, irgendwo zwischen dem zweiten Kind, der dritten Hypothek und der vierten Bypassoperation und dem fünften Dosenchardonnay verloren haben.
Diese Wut hat er, der Gymmick, warum auch immer, noch im Bauch.
Gymmick hat es geschafft, den Scherben die Strasse zurückzugeben.
Warum ich so darauf herumreite?
Gymmick wird nach Beendigung dieser (coronabedingt) mittlerweile vier Jahre andauernden „50 Jahre Ton Steine Scherben-Tour“ die Band verlassen.
Die Gründe dafür sind mir nicht bekannt, und eigentlich geht es uns alle ja auch nichts an. In jedem Fall hat er der Tausendsassa in den letzten Jahren, sei es nun in der Ringlstetter-Show oder als Solokünstler mittlerweile eine Medienpräsenz erlangt, die uns hoffen lässt, auch in Zukunft von dem begabten und engagierten Nürnberger zu hören.
Oder auch zu lesen.
Hörer des Deutschlandfunks haben es vielleicht mitbekommen:
Im Jahr 2022 wurde ihm für eine erschreckend simpel aufgebaute und gerade deshalb im wahrsten Sinne des Wortes so entwaffnende Karikatur zum Ukrainekrieg der deutsche Karikaturenpreis verliehen.
Hier mal ein Link dazu:
Ich habe keinerlei Informationen, ob und in welcher Form und mit welcher/m/ Sänger*in(nen) die alten Helden Kai Sichtermann und Funky Götzner nach Gymmicks Ausstieg weiter Livekonzerte bestreiten werden, möchte aber allen, die diese wichtige und geile Band noch ein letztes Mal mit dem authentischen Rio-Schmelz UND der Street-Credibility eines Gymmick erleben wollen, den Besuch eines oder mehrerer der anstehenden Konzerte in Norddeutschland nahelegen.
Auf ihrer Social Media-Präsenz hat die Band bekannt gegeben, dass die ausstehenden Konzerte (wenigstens teilweise) zusätzlich zu Kai am Bass, Funky auf dem Cajon und Gymmick an der Westerngitarre bzw. dem Keyboard noch mit dem Gitarristen Flo Kenner (ebenfalls aus Nürnberg) bereichert werden, der dem Ganzen dann mit seiner Strat noch den echten alten Lanrue-Touch verleiht.
Weiterhin ist auch Kidd Viciouz bei allen Shows als Support benannt.
Dem Norden stehen also drei bunte Abende ins Haus.
HINGEHEN! HINHÖREN! WIDERSTAND LEISTEN!
Zum Programm findet Ihr hier noch den Link zu meiner Rezension anlässlich des letzten Kieler Auftritts der Combo in der hansa48 vom 16. Oktober 2021:
Jörg Röschmann
