TURBOSTAAT, BUG ATTACK / 13.01.2023 – Kiel, Pumpe

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Im Juli 2022 schockierten TURBOSTAAT mit der Absage mehrerer Konzerte und der Nachricht: „Wir können zur Zeit noch gar nicht sagen, wie oder wann es weitergeht, aber fest steht, dass wir vorerst nicht werden spielen können.“ Das ließ natürlich einiges befürchten und bald darauf gingen Gerüchte herum, nach denen ein Bandmitglied einen Herzschlag erlitten habe. Es folgten weitere Absagen, bis dann Ende Dezember die erlösende Ankündigung zweier Konzerte in Scheggerott folgte: „Nach den zahlreichen Absagen und der Ungewissheit, ob wir nach dem Herzinfarkt als Band überhaupt weitermachen können, möchten wir uns nun zurückmelden und euch zu einem Konzert einladen: Am 13. und 14.01.2023 spielen wir hier oben bei uns in der Dorfkneipe in Scheggerott!“ (Quelle: Facebookseite der Band.) Puh, Erleichterung, ja, Begeisterung! Natürlich holen wir uns sofort Karten und freuen uns wie Bolle auf den 13. Januar. Leider erfahren wir ganz knapp vorm Auftritt, dass „aufgrund unvorhersehbarer Umstände“ das Konzert doch nicht in der fraglichen Dorfkneipe stattfinden könne. Argh! Immerhin gibt es Ersatz, heute in der Kieler Pumpe und morgen gleich zweimal im Husumer Speicher. Wäre bestimmt geil gewesen in dieser Dorfkneipe, aber wie cool ist das bitte, dass diese Verlegungen derart kurzfristig möglich gemacht wurden. Dickes Danke an Carlos vonner Pumpe!

 

TURBOSTAAT

Bilder von MJ. 

 

Wahnsinn, wie viele Nasen heute trotz dieser kurzfristigen Verlegung in die Pumpe kommen! Denn die Veranstaltung in Scheggerott war zwar ausverkauft, aber diese Dorfkneipe dürfte ja wesentlich kleiner sein als der große Pumpensaal. Der ist tatsächlich im vorderen Bereich richtig gut gefüllt, nicht so voll, dass es ungemütlich wird, aber doll genug für intensiven Austausch samt Crowdsurfern und Stagedivern. Aber erst mal kommt so’n Akustiktyp auf die Bühne. Denke ich zumindest erst! Doch nein, da drischt doch eine ganze Punkband los, während ich in der wie immer auf Zeitlupe geschalteten Schlange am Biertresen stehe? Des Rätsels Lösung: Es handelt sich um BUG ATTACK, die Ein-Mensch-Punkmaschine! Ein tief runtergeschraubter Mikroständer, die Gitarre auf den Knien, mit der einen Hand schraddeln, mit der anderen das Schlagzeug vermöbeln, gleichzeitig die Bassdrum kicken und spuckerotzend ins Mikro pöbeln – ja, das alles kann ein Mensch gleichzeitig tun. Wenn er denn will und genug Wut hat. Hat er beides, der BUG-ATTACK-Typ. Wut auf Classic Rock, auf Anzugtypen, auf deine Kohle, auf sich selbst. Und setzt dabei mächtig Energie frei, ackert sich an allen Instrumenten ab, dass die Schweißtropfen nur so in die ersten Reihen spritzen. Macht immer wieder Laune!

 

BUG ATTACKBUG ATTACK

 

Und dann TURBOSTAAT! Man spürt: Das ist heute ein besonderer Abend. Für die Band, aber auch fürs Publikum. Ich will es nicht überdramatisieren, aber: Herzschlag, das hört sich scheiße an, ist es auch. Aber nun ist die Ungewissheit gewichen: Es geht weiter! Nicht, dass frühere TURBOSTAAT-Auftritte routiniert gewirkt hätten, aber das Ding heute ist emotionaler. Jan bedankt sich mehrfach fürs Erscheinen und wirkt sehr gelöst. Der Mob singt mit, viele strahlen und springen herum, vereinzelte Stagediver fliegen durch die Luft. Bei jedem TURBOSTAAT-Review merke ich übrigens, dass ich zwar beim Konzert immer jeden Song kenne und mitsinge, mir aber bei den Songtiteln häufig nicht so sicher bin. Das ist so ein typisches Element, dass die Titel oft gar nicht im Refrain auftauchen, wie das ja die meisten Bands machen. „Husum, verdammt noch mal, Husum!“, der heißt zum Beispiel „Insel“. Und die schön-traurigen Zeilen „Am Ende vom Jahr nimmt er deine Hand und geht mit dir ins Watt“ stammen aus „Fraukes Ende“. Wo taucht „Und dann im Februar / Auf dem Weg nach Kandahar / Liegst du zitternd auf dem Boden / Während andere ins Kino gehen“ auf? in „Sohnemann Heinz“. Es gibt natürlich auch andere Beispiele wie „Rattenlinie Nord“, „Alles bleibt konfus“ oder „Otto muss fallen“. Alle genannten Stücke sind heute in der Setlist, jedes wird gefeiert.

 

TURBOSTAATTURBOSTAAT

 

Nach der längeren, fast halbjährigen Spielpause passieren auch mal kleinere Fehler im Ablauf, z.B. verguckt sich Peter einmal auf der Setlist und legt entsprechend los, wird aber grinsend zum Abbruch gebeten. Und gerade diese Momente machen die Magie das Abends aus. Weitere Highlights sind „Wolter“, „Eisenmann“, „Harm Rochel“, „Vormann Leiss“ und „Schwan“. Der Sound ist wahnsinnig gut, man hört z.B. die Nuancen der beiden Gitarren perfekt heraus, die eine häufig mit diesen pumpenden, schnell gespielten Riffs, die andere mit diesem flirrenden Postpunk-Reverb. Dazu natürlich dieser typische TURBOSTAAT-Bass. Schon genial, wie die Band ihr eigenes Klanguniversum immer weiter ausgebaut hat. Am Schluss brüllen die Besucher:innen die Band mehrfach zurück auf die Bühne, die sich auch nicht lange bitten lässt. Willkommen zurück, TURBOSTAAT!

 

TURBOSTAATTURBOSTAAT

 

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