REVOCATION, GOATWHORE, ALLUVIAL, CREEPING DEATH / 22.01.2023 – Hamburg, Logo

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Vier US Death Metal Bands an einem Abend, das gleicht gerade nach der langen coronabedingten Durststrecke einem wahren Verwöhnprogramm. Natürlich können US Bands mittlerweile wieder seit einiger Zeit in Europa touren, die Freude darüber ist aber noch lange nicht verklungen, es fühlt sich jedenfalls für mich nicht wie „Routine“ an, dass so etwas wieder stattfinden kann. Im Gegenteil, ich hab richtig Laune! Dass es nicht nur mir so ergeht, zeigt sich daran, dass wir in Windeseile eine vierköpfige Reisegruppe zusammengestellt haben und natürlich auch daran, dass sich das Logo richtig amtlich füllt, und das auf einen Sonntag. Die Zusammenstellung ist eben verführerisch und spricht innerhalb der Death Metal Szene mehrere Richtungen an. REVOCATION sind die technischen Vertreter und werden gerade zusehends populärer, GOATWHORE gelten als Livemacht und böllern im Vergleich straighter, haben dazu einen angeschwärzten Touch. Weniger bekannt dürften ALLUVIAL und CREEPING DEATH sein, aber wie sich zeigt, ziehen auch diese jeweils Annänger:innen ins Logo.

 

GOATWHORE

Bilder von MJ 

 

CREEPING DEATH räumen erst mal mit allen Klischees auf und informieren: „Yes, we’re from Texas, but we left all our guns at home.“ Und bevor sie jemand fragen kann, wer von CREEPING DEATH denn alles zu Hause ein Pferd auf seiner Ranch habe, wird auch das geklärt: „I’ve got one, he has two“. Sympathische Band also schon mal, die musikalisch gern als Mischung aus Death Metal und Hardcore beschrieben wird. Tatsächlich höre ich den Hardcoreteil kaum heraus, möglicherweise war das eher in der Frühphase der Band ein Einfluss. CREEPING DEATH klingen auch viel organischer und olschooliger als diese Soundwurst-Deathcore-Klamotten. Ich muss an eine Mischung aus BOLT THROWER und OBITUARY denken, wobei CREEPING DEATH nicht nur walzig grooven, sondern auch vehement nach vorne ballern. Die Art, wie sie Breaks einsetzen, erinnert etwas an DEATH zur „Leprosy“-Zeit. Der Frontgrowler hat eine markige Stimme im Kam-Lee-Stil, die das Ganze perfekt abrundet. Der Gitarrist auf der (aus Zuschauersicht) rechten Seite geht zudem hart auf der Bühne ab und springt mit kickboxartigen Jumps herum, wenn seine Parts es zulassen. Geile Entdeckung, ich ernte später eine LP ab, Martina findet die Band gar am besten vom heutigen Billing.

 

CREEPING DEATHCREEPING DEATH

 

 

Progressivere, teilweise gar in den Djent-Bereich gehende Mucke bieten dann ALLUVIAL. Im Vergleich zu den drei anderen Bands holt mich ihr Sound am wenigsten ab. Es bleibt kaum etwas hängen, was gerade beim Gesang auf Dauer auffällt. Am besten gefallen mir ALLUVIAL, wenn sie mal das Tempo etwas rausnehmen und durch langsam gespielte melodische Leads Atmosphäre erzeugen. Spätestens bei diesen Parts fallen die Fähigkeiten des Gitarristen Wes Hauch auf, der auch schon in der Live-Besetzung von DEVIN TOWNSEND gespielt hat. Man hört und fühlt, dass hier ein Soundfreak am Werk ist, der viel Arbeit in den Gitarrenton investiert hat. Am Bass steht da fast zwingend ein Sidekick, der technisch pervers fit ist. Ein nicht geringer Teil des Publikums fährt voll darauf ab, denn natürlich ziehen auch REVOCATION viele Leute, die es komplex und vertrackt mögen. Für mich reicht es heute nicht aus, um mich zu begeistern, aber die Band ist noch jung, hat erst zwei Alben draußen, da kann also noch einiges passieren und vielleicht sind ALLUVIAL in Zukunft noch für eine Überraschung gut.

 

ALLUVIALALLUVIAL

 

 

GOATWHOREGOATWHORE

 

GOATWHORE fallen über das Logo her wie ein Schwarm Hornissen! Was für eine Prügelorgie, was für eine Energie! Für mich sind sie heute der Hauptgrund meines Erscheinens, hatte mich die New Orleans-Mischpoke mit Ex-Mitgliedern von ACID BATH, CROWBAR und SOILENT GREEIN doch 2009 im Hafenklang völlig geplättet. Mittlerweile haben GOATWHORE acht (!) Longplayer am Start und müssen unzählige Shows gespielt haben. Man kann den Stil der Band analysieren und in seine Bestandteile zerlegen (Death Metal, Black Metal und – ugh! – CELTIC FROST) oder sich einfach der hemmungslosen Raserei hingeben. Tun die Hunde auf der Bühne schließlich auch. Wo du auch hinguckst, siehst du Nieten, Leder, bangende Köpfe und grinsende Gesichter. Ich liebe es besonders, wenn GOATWHORE das Gefühl vermitteln, dass gleich alles auseinanderplatzt, weil sie so ungestüm nach vorne dreschen. Auf Platte wirken sie etwas boshafter, live merkst du einfach, was für einen barbarischen Spaß die Musiker haben. Ich habe immerhin fünf ihrer Alben (heute wächst die Zahl auf sechs) und freue mich über Songs wie „Apocalyptic Havoc“, „In Deathless Tradition“, „Death From Above“ oder auch „Angels Hung From The Aches Of Heaven“. Boah, leider wird der Begriff „Abriss“ zu inflationär benutzt, bevor ihr den einsetzt, solltet ihr besser erst mal zu einer GOATWHORE-Show gehen!

 

GOATWHORE 

 

REVOCATIONREVOCATION

 

GOATWHORE haben tatsächlich uns alle vier begeistert, die im Detail recht unterschiedliche Richtungen mögen. Und verrückterweise gilt das in der Folge auch für REVOCATION. Der Band gelingt aus meiner Sicht das Kunststück, technisch UND eingängig zu sein. Gitarrist David Davidson begeistert mit durchkomponierten Soli, brutalen Riffs und fiesen Growls, er ist zu Recht mittlerweile ein vielbeachteter Musiker. Ich gestehe: Ich kannte bisher nur den Namen und hatte trotz diverser Empfehlungen noch nie richtig bei REVOCATION reingehört. Tscha, nun habe ich wohl einiges nachzuholen, denn auch diese Band ist bereits beim achten Album angelangt. Das Logo feiert jeden Song und da sind ja auch Wahnsinnsabfahrten zwischen Death, Thrash und Progressive Metal dabei. Teilweise stehe ich minutenlang mit offenem Maul da und der Sabber tropft in mein Bierglas. Wir sehen hier eine Ausnahmeband, die mit Präzision und Charme alles in den Staub stampft. Egal, wie schnell oder vertrackt REVOCATION spielen, es bleibt wirklich in jedem Moment spannend und die clever eingebauten Melodien sorgen für Gänsehautmomente. Ich spüre den Erntedrang…

 

REVOCATIONREVOCATION 

 

Wir schwärmen die komplette Zugrückfahrt über das Erlebte und sind froh, diesen Trip gemacht zu haben, auch wenn uns nun nur noch zwei, drei Stündchen Schlaf bleiben, bevor der Wecker klingelt. Egal, jederzeit wieder!

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