GHOST, THE HELLACOPTERS / 19.06.2023 – Hamburg, Barclays Arena

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“Wer soll bloß nachkommen, wenn die großen Bands wie IRON MAIDEN, KISS, SCORPIONS, JUDAS PRIEST alle wirklich erst weg sind?” Diese Frage höre ich häufig und in der Tat gibt es unter den jüngeren Bands, die Arenen füllen, nicht viele, die mir gefallen (es geht hier nicht um den Underground). Aber GHOST zeigen, dass es immer noch möglich ist, mit grandioser Musik ganz unten anzufangen und sich kontinuierlich nach oben zu spielen. Mache versuchen den Erfolg der Band mit dem Image und/oder der Show zu relativieren, aber die sind eben Teil des Konzeptes und es ist meines Erachtens argumentativ unsinnig, dies als Defizit zu werten. Im Gegenteil, ich sah GHOST bereits 2011 im Marx (siehe Bericht) und schon in dieser Phase war klar, dass Tobias Forge eine Vision verfolgt, die er konsequent umsetzt. Man mag die Musik als zu kommerziell ansehen/empfinden, aber die Fähigkeiten der beteiligten Musiker:innen oder die Qualität des Songwritings zu leugnen, ist im Grunde unmöglich. Ich finde es großartig, dass GHOST Schritt für Schritt in größeren Hallen spielen. Das heutige Konzert zeigt sie auf einem neuen Level, so viel sei schon mal gesagt.

 

GHOST

Bilder von Rüdiger Naffin und Max von Lobeck (Max von Lobeck - Social Media Management)

 

Ein weiterer Nebenaspekt, der für GHOST spricht: Sie haben in der Regel wirkliche Killerbands als „Vorband“ mit dabei. Ich erinnere nur an CANDLEMASS, THE OATH oder BLOOD CEREMONY. Heute sind es THE HELLACOPTERS, über die ich mich sehr freue. Die Schweden bekommen volles Licht und vollen Sound und können mit 18 Songs eine Setlist präsentieren, die Headlinerlänge hat. Das zum Teil erstaunlich junge Publikum flippt jetzt nicht völlig aus, nimmt die Rock’n’Roll-Haudegen aber wohlwollend zur Kenntnis. Mit „Hopeless Case Of A Kid In Denial“ legen THE HELLACOPTERS mit einem furiosen Opener los. Ich liebe die Band heutzutage ja sogar noch mehr als früher. Nicke Andersson lebt den Rock’n’Roll, lässt sich dabei zwar natürlich von Einflüssen von KISS bis MC5 inspirieren, aber er liefert nie reinen Abklatsch ab. Auch die heutige Show gerät musikalisch als extrem abwechslungsreich. Einige Riffs rocken so unnachgiebig, dass die Leute ihre Zurückhaltung vergessen und recht viele Arme nach oben gehen. Dabei stehen neue Stücke des gelungenen „Eyes Of Oblivion“-Albums (geil: „Reap A Hurricane“, ebenso geil: „So Sorry I Could Die“) neben Klassikern wie „(Gotta Get Some Action) Now!“, „Soulseller“ oder „Like No Other Man“. Da werden alle Spielarten des Rock abgedeckt, hauptsächlich natürlich High Energy Rock’n’Roll, aber auch dreckiger, melancholischer Blues und völlig ursprünglicher Pub Rock. Ganz groß kommen z.B. „Toys And Flavors“, „I’m In The Band“ oder „The Devil Stole The Beat From The Lord“. Herrlicher Auftakt!

 

THE HELLACOPTERSTHE HELLACOPTERS 

 

Wie ist der neuerliche Popularitätsschub von GHOST eigentlich zu erklären? Offenbar ist ausgerechnet ein eher obskurer Song, nämlich „Kiss The Go-Goat“ von der 2019er 7“ „Seven Inches Of Satanic Panic“ mit Verspätung auf TikTok viral gegangen (vielleicht auch die B-Seite „Mary On A Cross“). Versteht zwar kein Mensch, aber ich find’s witzig. Vielleicht bleiben die neuen GHOST-Hörer:innen nicht nur bei anderen GHOST-Songs (gar – Alben) hängen, sondern entdecken den Heavy-Metal-Kosmos? Schon beim mittlerweile bekannten „Miserere Mei, Deus“-Intro werden Tausende von Smartphones gezückt, das hab ich so auch noch nie gesehen. Alle wollen halt den Auftakt der Show festhalten. Und der hat es in sich! Das Bühnenbild ist gewaltig und erweckt durch seine Räumlichkeit und Optik den Eindruck einer riesigen Kathedrale. Im Vergleich zu etwa KISS halten sich GHOST jedoch mit Effekten wie Feuersäulen, Pyros, Explosionen zurück – die gibt es zwar, aber eher gezielt in wenigen Momenten eingesetzt und nicht als Dauerfeuer. Wieder hat sich das Erscheinungsbild der Nameless Ghouls verändert, was ja auch ein spannendes Merkmal dieser Band ist. Die neuen Masken ermöglichen den Musiker:innen mehr Interaktion mit dem Publikum, gleichzeitig sehen sie stylisch und futuristisch aus.

 

GHOSTGHOST

 

„Kaisarion“ kaisert gleich alles weg, die folgenden „Rats“, „Faith“ und „Spillways“ lassen keine Atempause zu. Die Arena ist sehr gefüllt, die Ränge voll besetzt, wobei niemand mehr sitzt und so ziemlich jede:r Besucher:in ein breites Lächeln spazieren trägt. Papa hat es aber auch besser denn je drauf, mit dem Publikum zu kommunizieren. Er bedankt sich bei den Leuten, die seit dem Konzert im Marx dabei sind, begrüßt die neuen Fans und lässt die HELLACOPTERS hochleben. Wertschätzung des Publikums statt schändliches Rockstargetue, hier fühlt man sich wohl, die wohl gesetzten Worte wirken sich positiv aus. Der Sound ist von meiner Position aus perfekt, die mittlerweile neun Ghouls brillieren auf allen Ebenen und an allen Instrumenten, seien es die drei Gitarren, das Keyboard, der Backgroundgesang, der Bass oder das Saxofon. Saxofon? Ja, denn natürlich wird zu „Miasma“ wieder der emeritierte Zombie-Papst Papa Nihil im Sarg auf die Bühne gerollt, per Elektroschock wiederbelebt und mit ebenjenem Instrument zum Mitzocken verdonnert. Verrückt auch, wie gut das GENESIS-Cover „Jesus He Knows Me“ im GHOST-Kontext funktioniert. Nach „He Is“ (mega!) bin ich langsam ratlos, was für Hits eigentlich noch nicht gespielt wurden, aber durch „Mary On A Cross“, „Mummy Dust“, „Kiss The Go-Goat“, „Dance Macabre“ und dem genialen „Square Hammer“ werde ich wiederholt überrascht.

 

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Insgesamt ein beeindruckendes Konzert, das meine eingangs formulierte These bestätigt: Wenn KISS bald aufhören, werden GHOST die Lücke füllen!

 

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IF YOU HAVE GHOST THEN YOU HAVE EVERYTHING.

 

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