ULTIMA RATIO FEST: PARADISE LOST, PRIMORDIAL, HARAKIRI FOR THE SKY, OMNIUM GATHERUM / 12.10.2023 – Hamburg, Kulturpalast Kronensaal
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Samstag, 14. Oktober 2023 19:08
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Die neue PRIMORDIAL-Scheibe begeistert mich so sehr, dass mir die drohende mehrstündige Rückfahrt mit SEV schlicht egal ist. So sieht das auch der wackere Jan ML und so werfen wir uns ohne Schmerzen in den Regio. Und was soll man sagen? Wer wagt, gewinnt! Die Hinfahrt verläuft doch glatt ohne Komplikationen, wir erreichen den HH Hbf pünktlich. Und zu den ersten Leuten, denen wir in Kronensaal über den Weg laufen, zählen zwei Kieler Freund:innen, die mit der Karre da sind, noch zwei Plätze frei haben und uns auf der Rückfahrt mitnehmen können! Danke, da genießt man den Moment doch gleich noch mehr.
Bilder von Anonymos.
Ich hätte es nicht erwartet, aber die Hütte ist richtig voll, wenig später gar ausverkauft. Ist halt auch ein gut zusammengestelltes Package. Wobei OMNIUM GATHERUM nicht mein Ding sind. Der Melodic Death Metal wird etwas zu sehr von den kitschigen Keyboards dominiert. Handwerklich ist das alles gut gespielt, gerade den Gitarristen guckt und hört man gern zu. Aber letztendlich holen mich die Songs und der Gesamtsound nicht ab. Die Stimmung ist indes gut, viele sind mit dem Material vertraut.
Auch HARAKIRI FOR THE SKY aus Österreich sind mir bisher lediglich vom Namen her bekannt. Ein guter Freund, dessen Geschmack schon häufig auch meinen Nerv traf, hatte sie mir vor einiger Zeit empfohlen, weswegen ich nun doch gespannt bin. Und der Kollege hatte mal wieder Recht! Sofort fällt der überdurchschnittliche Schlagzeuger auf, der mit Blastbeats, Grooves und generell tightem Spiel begeistert. Auch der Rest der Band trägt seinen jeweiligen Teil dazu bei, dass der Post Black Metal abwechslungsreich und atmosphärisch dicht ausfällt. Klassische Black Metal Raserei ist ebenso vorhanden wie flirrende Gitarrenflächen. Je freudloser und melancholischer die Musik wirkt, desto mehr Spaß hat der Mob und du siehst überall fliegendes Haupthaar. Gut!
Der Auftritt von PRIMORDIAL kann nur als vollständiger Triumphzug gewertet werden! In schwacher Verfassung sah ich die Iren nie, aber heute stimmt wirklich alles: Der Sound ist glasklar und tonnenschwer, die Band hochmotiviert und Alan Averill befindet sich in Bestform. Ansagen, stimmliche Power und sein Erscheinungsbild (Corpsepaint, Henkerstrick, Kapuze) tragen zum Charisma des Sängers bei. Und wenn er Geschichten erzählt wie die des Vaters, der seinen eigenen Sohn hängen muss, dann kann hier niemand teilnahmslos bleiben. Mit „As Rome Burns“ gibt’s gleich die ganz dicke Kelle, bei den Zeilen „Sing, sing, sing to the slaves / Sing to the slaves as Rom burns“ sind nahezu alle Hände oben und ein beeindruckender Chor ertönt. Bis auf zwei neue Stücke setzen PRIMORDIAL auf Klassiker (wobei „How It Ends“ und „Victory Has 1000 Fathers, Defeat Is An Orphan“ auch zukünftige Klassiker darstellen), „To Hell Or The Hangman“, „The Coffin Ships“, „No Grave Deep Enough“ und „Empire Falls“ erschaffen Klangwelten zwischen Black Metal, Folk und etwas ganz Eigenem. Die Darbietung ist unfassbar intensiv, sodass ich fast froh bin, als das Konzert zu Ende ist. Und doch würde ich mir sie sofort wieder angucken.
Ja, PARADISE LOST. Ich war mal großer Fan, habe die ersten vier Alben und mit Abstrichen auch noch „Draconian Times“ geliebt. Und dann habe ich sie komplett aus den Augen verloren. Ich keine keines der Alben danach, habe sie auch sehr lange nicht mehr live gesehen (es gab in 20 Jahren DreMuFueStiAs bisher noch kein Livereview zu PARADISE LOST von mir). Gleichzeitig stehe ich der Band aber auch nicht ablehnend gegenüber, vielleicht hat mich die Performance von Nick Holmes bei BLOODBATH etwas versöhnt mit den letzten PL-Shows, die auf mich recht gelangweilt wirkten. Das heutige Konzert finde ich dann tatsächlich auch gut. PARADISE LOST versuchen gar nicht erst, stimmungsmäßig an PRIMORDIAL anzuknüpfen, sie ziehen völlig ihr eigenes Ding durch und wirken damit unangreifbar. Man muss eben akzeptieren, dass die Band nicht mehr so klingt wie auf „Icon“ oder „Shades Of God“ und schon gar nicht mehr wie auf den ersten beiden Platten. Ich kenne dann auch kaum einen Song („Embers Fire“ und „As I Die“ sind natürlich dabei). Der Stoff klingt teilweise eher nach DEPECHE MODE, was für mich okay ist. Witzig ist ihr Look, denn bis auf Gregor Mackintosh führen alle Bandmitglieder eine Fleischmütze spazieren und könnten sich unbehelligt auf ein Oi!-Festival schmuggeln. Nun, Frisuren sind nebensächlich und insgesamt hatte ich meinen Spaß an dem Auftritt. Eine jüngere Platte nach 1995 brauche ich aber wohl nicht, von einer Rückkehr zu den Wurzeln habe ich live nichts bemerkt (gern nochmal: Das muss auch nicht sein, Respekt für das mittlerweile 35-jährige Gesamtwerk!).
Morgen: DIVIDE, SOUL GRINDER und RATS OF GOMMORAH!
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