KVELERTAK, CANCER BATS / 31.10.2023 – Hamburg, Markthalle
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Donnerstag, 02. November 2023 17:20
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Wuhu, es wird mal wieder höchste Zeit für ‘ne Eulenmesse! Die letzte war immerhin 2019 in Wacken, gleichzeitig für mich die erste Show mit Ivar Nikolaisen am Mikro, nachdem Erlend die Band 2018 überraschend verlassen hatte. Seitdem sind KVELERTAK trotz Pandemie gefühlt größer geworden, „Splid“ und „Endling“ sind erschienen und hoppla stehen wir hier in der ausverkauften Markthalle.
Bilder von MJ.
Als CANCER BATS beginnen, haben wir uns ohne Stress Top-Plätze auf den seitlichen Treppen geschnappt. Es ist ja doch witzig, wie sehr ein kurzer Eindruck täuschen kann! Als ich CANCER BATS nämlich 2019 als Support von SICK OF IT ALL sah, verpasste ich den größten Teil des Sets und nahm das Gesehene als überflüssig wahr (Zitat: „kann weg“). Und heute bekomme ich gleich beim ersten Song ‘ne Gänsehaut. Das liegt zunächst allein am Gitarristen: Dieser Sound, diese unverschämte Lässigkeit und gottverdammt dieses Riff! Der Mob steigt auch bereits gut ein, wobei die Markthalle sich von Song zu Song stärker füllt und im letzten Drittel der Darbietung der Ausnahmezustand herrscht. So ein Gehüpfe bereits bei der Vorband hab ich zum letzten Mal bei METAL CHURCH vor METALLICA auf der „Master…“-Tour gesehen (selber Ort). CANCER BATS haben sich Halloween-Grusel-Facepaint gegönnt und machen sich über die Leute lustig, die sich wundern, warum eine Black-Metal-Band Hardcore/Punk spielt. Die Songs ballern mal forsch nach vorne, mal grooven sie, wobei es stets angenehm dreckig klingt. Der Sänger hat theoretisch die ganze Palette drauf und könnte auch melodisch trällern, schreit aber lieber, als hätte er starke Schmerzen. Ein Highlight stellt ein Stück mit Gastgesang dar, zu dem sich eine Sängerin mit ebenso rotzig-melodischer Stimme dazugesellt. Nicht schlecht auch das BEASTIE-BOYS-Cover „Sabotage“, das schön in einen Hardcoresong transformiert wird. Tja, danach ernte ich die Scheibe „Psychic Jail Break“ ab. Und mein Verriss von 2019? Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil!
KVELERTAK 2023 sind durchaus nicht mehr die Band, die man 2011 erstmalig live sah. Das liegt gar nicht so sehr an Ivar Nikolaisen, der Erlend auf seine Weise ebenbürtig ist, sondern wohl vor allem am neuen Schlagzeuger: Zockte der Vorgänger Kjetil G. erbarmungslos wie eine Maschine, lässt Håvard Takle Ohr die Chose eher swingen, man könnte etwas zugespitzt von einem bluesigen Spiel sprechen. Aber klingt die Band deshalb etwa weniger intensiv, haben sich KVELERTAK nun doch der Routine hingegeben? Fuck, nein! Gleich beim ersten Stück, dem „Krötenweg zur Hölle“ (oder was auch immer das auf Deutsch bedeutet) hechtet Ivar in die tobende Menge, beim folgenden „Blodtørst“ gönnt sich Bassist Marvin Nygaard ein Bad in der Menge. Wie immer faszinieren die drei Gitarren. KVELERTAK setzen dabei nicht auf Lautstärke, sondern auf ein klares und differenziertes Klangbild. Ich versuche mich wieder mal länger auf einen der drei Klampfer zu konzentrieren, aber es passiert zu viel auf der Bühne und im Publikum. Aber trotz Rock’n’Roll-Wahnsinn lautet meine Analyse: Einer spielt mit den Fingern (ich nenne ihn den „Banker“), die anderen wechseln sich mit Riffing und Meldien ab. Wobei es natürlich immer wieder die magischen Momente gibt, in denen alle drei zu THIN LIZZY artigen Harmonien zusammenfinden oder Unfasslichkeiten wie den „düpdüpdüpdüptalüptüp“-Part in „Fossegrip“ abfeuern. Was darüber hinaus beeindruckt, sind die Backinggesänge, die wirklich brutal auf den Punkt kommen. Ich glaub, diese Parts sind im Vergleich zu früher ausgebaut worden. Wie immer steigert sich das Konzert in einen kollektiven Rausch, Ivars Sprünge in die Menge sind nicht mehr zu zählen (episch: einmal wandert er von Kopf zu Kops springend über die ersten Reihen, um sich dann mit einem markerschütterndem Schrei fallen zu lassen), das Publikum tanzt nicht mehr, es randaliert. Ivars Abschlussaktion zählt zu den dreckigsten Rock-Moves, die ich je gesehen habe: Der dürre Punk zieht sich das Shirt aus, wringt es über seinem Kopf aus, lässt sich den Schweißschwall ins Maul tropfen und spuckt den Sud in einem Sprühregen in den Mob, das Shirt ist derart ergiebig durchgejaucht, dass er das sogar zweimal nacheinander durchziehen kann.
Wat soll man sagen? KVELERTAK bleiben ein heißes Eisen und sind ein Garant für pure Rock’n’Roll-Action! Ich will meir!