KEEP IT TRUE XXIV / 26.04.2024 – Lauda-Königshofen, Tauberfrankenhalle, Tag 1

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Kaum kehrte das KEEP IT TRUE nach dreijährige Zwangspause im letzten Jahr zurück (der Wolter berichtete), gibt’s dieses Mal schon die ersten Unkenrufe. Das Billing sei ja nicht so spektakulär wie sonst, früher waren die Frisuren hübscher und der Rasen grüner, pipapo. Doch um mal eines vorwegzunehmen: Gerade die Bands, von denen es hieß, dass sie „nichts Besonderes“ seien (was immer das heißen soll), zum Beispiel GRAVE DIGGER oder STORMWITCH, legten furiose und umjubelte Auftritte hin. Also: Erst angucken, dann das Maul aufmachen! Allen Mecker:innen nehmen die Veranstalter fürs nächste Jahr schon jetzt den Wind aus den Segeln: Die Ticketpreise werden reduziert, der Metal Market wandert wieder ins Halleninnere! Ich mein, wo gibt’s das sonst? Statt zu expandieren, geht man mal einen Schritt zurück. Ich kenne spontan keinen vergleichbaren Fall. Wir reisen am Donnerstag an, verzichten aber aufs Warm-Up und treffen uns lieber mit Freunden beim Griechen auf ein wenig Heavy-Metal-Smalltalk, für den man in den folgenden Tagen ja kaum noch Zeit haben wird. Schnaps gibt’s auch. Hinein ins Vergnügen:

 

HEAVY LOAD

 Text: Stumpfer Fischkopp, Fotos: Florian Hille

 

MORGUL BLADE

 

MORGUL BLADE

 

Wir sind schlau und stellen uns früh genug in die Schlange. So kann bereits eine erste Ernte betrieben werden und das erste Bier (leider immer noch dieses Distelhäuser) in den Schlund gekippt werden. Andere stehen noch an, während MORGUL BLADE den Reigen beginnen. Ich mag den Mix aus Epic Heavy Metal und Black Metal ja sehr. Während Gitarrist und Sänger Klauf für den Extremgesang zuständig ist, steuert der Drummer Will melodisches Klargeschmetter bei. Auch Gitarrenspiel (Sister Midnight!) und Drumming besitzen eine völlig eigenständige Note. Da wird geblastet und unheilige Leadgitarren entführen mental nach Mordor. Ich besitze bereits das Debutalbum und erweitere die Sammlung heute um „Heavy Metal Wraiths“. Ich find’s super, für den MetalSon sind MORGUL BLADE sogar die beste Band des Tages, erzählt er am nächsten Morgen beim Frühstück.

 

 

GREYHAWK

 

GREYHAWKGREYHAWK

 

In der Regel kann ich von einer Band, die auf dem KIT spielt, jede Platte blind abernten. GREYHAWK sind eine der wenigen Ausnahmen. Das liegt am Gesang, der mir persönlich zu sehr nach Operntenor klingt. Ich hab das selten, bin bei Gesang recht offen, aber in diesem Fall stellen die Vocals den Dealbreaker dar. Ansonsten gefallen GREYHAWK mit kraftvollem Power Metal und eingängigen Songs. Sänger Rev Taylor hantiert mit einer Art Ball herum, der wohl eine Kristallkugel (LOTR-Fans sprächen von einem Palantir) symbolisieren soll. Ich hoffe mal, dass das Ding aus einem eher weichen Material besteht, denn Taylor wirft es gegen Ende plötzlich und überraschend in die Menge…

 

 

BLEAK HOUSE

 

BLEAK HOUSEBLEAK HOUSE

 

Es ist wie ein Naturgesetz: Bands der NWOBHM sind live immer gut! Ich könnte mich an kein Gegenbeispiel erinnern. Meist zocken sie tight und die Sänger klingen zeitlos. Woran das wohl liegt? BLEAK HOUSE bilden keine Ausnahme. Ihre „One Off Reunion Show“ ist eine einzigartige Gelegenheit, eine historische Lücke zu schließen. Natürlich würde kaum jemand die Songs ohne die Compilation-Releases von High Roller und Buried By Time And Dust (auch ein tolles Label!) kennen. Bei „Chase The Wind“, dessen Darbietung schön knackig kommt, gehen viele Fäuste nach oben, der Titel war unlängst auf dem coolen „Damn, This Stuff Is Heavy!“-Sampler (Teil 1). Als zweiter „Hit“ geht „Rainbow Warrior“ durch, den ROXXCALIBUR auf ihrem Debut „NWOBHM For Muthas“ gecovert haben. Diesen Song konnte Gitarrist Graham Killin bereits auf dem 2009er KIT performen, als es die amtliche NWOBHM ANNIVERSARY Show mit vielen Protagonisten der Szene gab. Ich bin begeistert, Sänger Graham Shaw schmettert, als wäre es 1980. 

 

                                

TAROT

 

TAROTTAROT

 

Viele Menschen, die noch nie auf dem KEEP IT TRUE waren, denken sicherlich, dass die musikalische Vielfalt nicht allzu breit gefächert sein mag und letztendlich alle Bands nach MANOWAR klingen. Solche Bands gibt es hier natürlich auch, aber zur Wahrheit gehört, dass häufig gerade die stilistisch anders gelagerten Combos gut was reißen, man denke nur an ASHBURY, PSYCHOTIC WALTZ oder IDLE HANDS/UNTO OTHERS. Dieses Jahr haben wir mit SONJA, HÄLLAS oder eben TAROT gleich mehrere Kapellen, die eben nicht in das vermeintliche Scheuklappenbild passen. Ich muss gar nicht erst vom leicht psychedelischen Hardrock der Australier überzeugt werden, liebe ich doch jeden Ton der Halunken um Will Fried und habe bisher alle TAROT-Tonträger abgeerntet. Mit jedem Song weben TAROT ein dichteres Netz, bis die KIT-Banger fliegengleich zappelnd drinhängen. „Street Lamps Calling“ ist gleich ein toller Opener und mit den folgenden Songs wird die Stimmung zusehends enthusiastischer, ich nenne nur mal „The Winding Road“, „Strange Dimensions“ oder „Life And Death“ als weitere Höhepunkte. Herrlich!

 

 

CROWLEY

 

CROWLEYCROWLEY

 

Ist nicht leicht, ein Kennerpublikum wie das vom KIT zu überraschen, doch mit dem Auftritt der Japaner CROWLEY gelingt genau das. Obwohl die Band seit 1983 existiert (sicher mit Unterbrechungen) und richtig gut ist, hatte ich noch nie zuvor von ihnen gehört uns so verhält sich bei allen Mitgliedern meiner Hood. Es ist mir fast peinlich, weil es so klischeehaft klingt, aber ich muss während des Auftritts mehrfach an ANTHEM und LOUDNESS denken, denn gerade vom Gesang und vom Gitarrenspiel her drängen sich Vergleiche zu Akira Takasaki und Minoru Niihara auf. CROWLEY präsentieren sich im Vergleich metallisch-undergroundiger mit Lederklamotten und Corpsepaint, rein musikalisch handelt es um Heavy Metal mit leichten Speed-Ausbrechern. Die Freude der Band, vor so einer Riesenmenge zu spielen, tritt deutlich in ihren strahlenden Mienen und den kultigen Ansagen des Sänger Takashi Iwai hervor. Wenn ich die Titel richtig verstehe, besitzen sie auch eine eigenwillige Note: „Don’t Be In A Hurry“, „Bad Stone“ oder „Woman In Black Cape“ stehen jedenfalls danach auf meinem Notizzettel. Insgesamt ziemlich kultig und vielen ist klar: Hier muss zur Ernte geschritten werden. Oder Ernte24, wie der Wolter immer sagt.

 

CROWLEYCROWLEY

 

 

SENTRY

 

SENTRYSENTRY

 

SENTRY ist es hoch anzurechnen, dass sie mit dieser Band einen Neuanfang wagen und gar nicht erst den Gedanken einer MANILLA-ROAD-Reunion zuließen. Ohne Mark Shelton (R.I.P.!) wäre das natürlich eigentlich auch undenkbar. Die Ex-Mitglieder Bryan Patrick, Neudi, Phil Ross sowie Kalli Coldsmith (Namedropping unnötig) spielen nicht mal einen einzigen MR-Song, sondern ausschließlich eigenes Material des tollen Debutalbums (bzw. des Demos). Die Stücke fallen meist ausladend aus, durch lange Instrumentalpassagen baut sich häufiger eine Wahnsinnsatmosphäre auf. Erst nach dem Auftritt fällt mir auf, dass SENTRY die Songs des Albums in chronologischer Reihenfolge gespielt haben. Meine Highlights heißen wohl „Valkyries (Raise The Hammers)“ und „Raven’s Night“, auch wenn ich das bei SENTRY gar nicht so eindeutig sagen kann, denn für mich zählt live wie auch auf Album der Genuss der Gesamtdarbietung. Nennt der MetalSon am nächsten Morgen MORGUL BLADE als beste Band, so sind es bei Silvia SENTRY.

 

SENTRY

 

 

VENGEANCE

 

VENGEANCEVENGEANCE

 

Endlich mal wieder VENGEANCE! Wenn ich mich nicht irre, habe ich die Niederländer zuletzt 2007 auf dem HOA gesehen (Wolter berichtete). Heute machen sie mich irgendwie glücklicher als damals. Alte Metalbands, die immer noch Spaß versprühen, sind doch das Beste, was es gibt auf der Welt. Nichts gegen Newcomer, aber ich feiere das schon, wenn Bands nach Jahrzehnten immer noch liefern. In meiner Sicht ist das ein Bonus. Wenn ich in Interviews mit jungen Bands lese, dass „die alten Säcke“ doch bitteschön „Platz machen sollen“ für sie, könnte ich mich kaputtlachen. Als wenn DU, ja genau DU, diesen Platz ausfüllen könntest! Als wenn DAS der Grund wäre, warum du als Vorband aufm Dorffest rumpimmelst! Okay, das musste raus. VENGEANCE ziehen jedenfalls voll vom Leder und böllern mit „Take It Or Leave It“, „May Heaven Strike Me Down“, „Take Me To The Limit“ oder „Arabia“ einen Hit nach dem anderen. Nicht nur ich muss die drohende Heiserkeit mit mehreren Distelfuckern bekämpfen. Zu „Rock’n’Roll Shower“ kommt Leon Goewie ans Absperrgitter und hält einen Riesenhumpen Bier hoch. Wer jetzt denkt, dass er den als Freibier verschenkt, hat nicht an den Songtitel gedacht: Nein, Goewie schüttet sich das Ding komplett über den eigenen Schädel und schmettert danach ungerührt weiter. Geilofant!

 

 

HÄLLAS

 

HÄLLASHÄLLAS

 

Nur wenige ziehen jetzt die Schlachtplatte beim ollen Griechen vor, denn tatsächlich locken HÄLLAS die Leute in Scharen an. Stimmung und Publikumsdichte übertreffen doch glatt die Verhältnisse bei allen vorherigen Bands. Und das völlig gerechtfertigt. Die Freaks sehen in ihren schwarzen Umhängen ja schon urig aus, die Musik lässt einen abheben und in fernen (Klang)Welten schweben. Nicht umsonst nennen die das selbst Adventure Rock. Einflüsse von WISHBONE ASH oder URIAH HEEP sind vorhanden, werden auf eine neue Ebene transformiert und manifestieren sich in Großtaten wie „Tear Of A Traitor“, „Carry On“ (was für ein Refrain, so eindringlich und dabei doch so unaufgeregt!), „Star Rider“ (hier singt die ganze Halle mit) oder „The Astral Seer“. Ich sehe HÄLLAS erst zum zweiten Mal und könnte mir vorstellen, dass diese Band tatsächlich recht groß werden könnte.

 

 

GRAVE DIGGER

 

GRAVE DIGGERGRAVE DIGGER

 

„Die haben ja überperformt!“, urteilt ein Berliner Kumpel nach dem GRAVE-DIGGER-Abriss bei einem Abkühlungsbierchen am Auto. Und das stimmt. Eigentlich fand ich es ja schade, dass Axel Ritt ausgestiegen ist, aber sein Nachfolger an der Gitarre rifft sich gnadenlos durchs Set (Tobias Kersting heißt der Dude). Natürlich liegt es auch an der Setlist, dass der Gig dermaßen gut ankommt, denn GRAVE DIGGER spielen heute eine Old School Show mit Songs von „Heavy Metal Breakdown“ bis „Heart Of Darkness“. Der Sound ist super, Boltendahl wirft die eine oder andere launige Ansage ein, ansonsten gibt es schlicht durchgehend Klassiker auf die Omme. Los geht’s mit „Headbanging Man“ und Pausen zum Verschnaufen werden nicht gegeben, denn wer nicht die Rübe schütteln muss, wenn „Wedding Day“, „Under My Flag“, „The Reaper“, „Witch Hunter“, „Shadows On A Moonless Night“, „We Wanna Rock You“, „Rebellion (The Clans Are Marching)“ oder „Heavy Metal Breakdown“ gespielt werden, muss aus Stein sein. Das Mitsinglevel fällt imposant aus, Heavy-Metal-Glückshormone werden wie aus Eimern ausgeschüttet.

 

GRAVE DIGGERGRAVE DIGGER

 

 

HEAVY LOAD  

 

HEAVY LOADHEAVY LOAD

 

Ich gehöre zu den Leuten, die HEAVY LOAD beim letzten KIT-Auftritt gar nicht so schlecht fanden, wie von vielen in diversen Zines geschrieben wurde. Und heute steigern sie sich deutlich, auch wenn nicht alles rund läuft. Das Hauptproblem ist einfach, dass die Schweden nicht so wirklich Liveerfahrung haben und so zwischen den Songs zu lange Pausen einlegen. Auch muss ein Stück gar abgebrochen werden, weil Ragne Wahlquist einen Teil des Textes vergisst. Aber ist das so entscheidend? Die Band liefert, alles wirkt etwas sicherer als noch 2018, Ersatzbassist Mats „Fox Skinner“ Heden macht seine Sache gut und vor allem klingen die Stimmen der beiden Wahlquist-Brüder richtig super! Gerade die von Styrbjörn, der ja parallel dazu Schlagzeug spielt, hat es mir angetan. Die großen Hits heißen „Heavy Metal Angels (In Metal And Leather)“ (Opener, alle singen mit!), „Singing Swords“, „Stronger Than Evil“ und „The Guitar Is My Sword“, aber ich liebe ja auch die neue Scheibe und erfreue mich ebenso an „We Rock The World“ (gelungene Led Zep-Vibes!), „Ride The Night“, „Slave No More“ oder „Walhalla Warriors“. Insgesamt ein würdiger Auftritt, auch wenn man förmlich spürt, dass noch immer etwas Luft nach oben ist.

 

 

Was für ein Tag. Die Detailanalyse muss natürlich zu einem Hotel-Absacker durchgeführt werden, aber dann fallen wir auch todesmüde in die Federn, um für Tag 2 fit zu sein. TBC! 

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