IGNITE, ARROW MINDS / 15.08.2024 – Lübeck, Treibsand

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Zwei Aspekte machen IGNITE für mich zu einer Band, welche mit gewohnten „Gesetzmäßigkeiten“ bricht. Zunächst ist es ja so, dass ein musikliebender Mensch in recht jungen Jahren, also in der ersten Phase seiner musikalischen Sozialisation, Platten wortwörtlich hundertfach abspielt. Je mehr Tonträger man ansammelt und je älter man wird, desto seltener kommt es vor, dass eine Neuanschaffung derart häufig angehört wird. Das heißt nicht, dass es keine sensationellen Neuentdeckungen mehr gäbe, aber die Zeit, der einer solchen gewidmet werden kann, nimmt doch ab. Und da stellen INGITEs Werke „A Place Called Home“ (2001) sowie „Our Darkest Days“ 2006 bei mir persönlich echte Ausnahmen dar! Obwohl ich seit 1983 mein Punkrock/Hardcore-Universum erweitere, konnten diese dann im Vergleich recht späten Platten zu meinen meistgehörten überhaupt werden! Der zweite Aspekt: Ein wichtiges Element dieser Phase ist nicht mehr dabei, nämlich die charismatische  Stimme ihres Ex-Sängers Zoli. IGNITE ohne diesen sich durch Stahl schneidenden Gesang? Das erschien undenkbar. Und doch knallt das selbstbetitelte 2022er Album mit Nachfolger Eli Santana rein ohne Ende, macht süchtig, läuft und läuft und läuft.

Heute stellt sich die Frage, ob IGNITE auch live an ihre alten Glanzzeiten anschließen können!   

IGNITE

Bilder von MJ und Chris Maniac (die von oben)

 

Wie herrlich, mal wieder auf der Walli abzuhängen und ein Konzert im Treibsand zu genießen! Wir haben hier allein mit VLADIMIR HARKONNEN mindestens sechs Mal gespielt, aber ich merke, dass ich jetzt länger nicht mehr hier war und sich total viel geändert hat! Zum Positiven, und das, obwohl es schon vorher toll war. Draußen gibt’s jetzt eine zusätzliche Bar und mehrere kleine Hütten für Merch und Klimbim, dazu eine Wand mit Schließfächern. Dadurch ist drinnen mehr Platz, gerade für Merch wurde es bei mehreren Bands früher schwierig. Noch wichtiger: Vieles wurde saniert und restauriert, die Anlage ausgebaut, sodass die Bedingungen top sind. Die Vorfreude steigt!

 

ARROW MINDSARROW MINDS 

 

ARROW MINDS aus Rostock kann man zugutehalten, dass sie ihre Sache professionell angehen. Mich packt der Mix aus melodischem Hardcore und Metalcore-Elementen in seiner Gesamtheit nicht hinreichend. Vielleicht liegt es daran, dass die Band für meinen Geschmack zu viel will, zum Beispiel laufen im Hintergrund elektronische Samples, welche der Musik die Unmittelbarkeit nehmen. Manche Breakdowns kommen zudem etwas vorhersehbar. Auf der Habenseite gibt es ein paar gelungene Hooks in COMEBACK KID-Manier und die Texte scheinen interessant zu sein. So werden Aluhutspackos abgewatscht und mehr Engagement gegen den Klimawandel gefordert. Dafür stülpt sich der Sänger auch mal eine Strumpfmaske über und schmettert durch ein Megafon. Im sekündlich voller werden Treibsand erhalten ARROW MINDS ordentlich Applaus. I’m still standing, aber vielleicht klappt’s ja beim nächsten Mal.

 

IGNITEIGNITE

 

 

IGNITE kommen mit erfrischend kleinem Set-Up auf die Bühne und ihr Sound springt einem dann auch direkt ins Gesicht! Zwar ist man nur mit einer Gitarre auf Tour (Nik Hill – warum Kevin Kilkenny verhindert ist, weiß ich nicht), das steht einer enormen Energieübertragung jedoch nicht im Wege. Mit „Veteran“ stürmen IGNITE förmlich ins Konzert und sowohl Band als Publikum sind sofort am Start. Wie hart sich die Lyrics bei vielen Besucher:innen ins Hirn gebrannt haben, wird mehr als deutlich, denn gefühlt singen alle mindestens die Zeilen „Yeah you’re abandoned so sorry / You’ve just a waste of your time / Yeah you’ve been lied to once again / Yeah we’ll they’ve paid you no mind / Where are we now“ mit. Eli Santana singt das derart selbstverständlich, dass ein Uneingeweihter wohl gar nicht auf den Gedanken käme, dass es sich um einen neuen Sänger handelt. Seine Stimme klingt natürlich im Detail anders als Zoli, vielleicht nicht ganz so hoch, aber genau so melodisch und live eher noch kraftvoller. Mit „Anti-Complicity Anthem“ folgt der Opener der neuen Platte – was für ein Feuerwerk an zwingenden Melodien und herrlichen Riffs! Die Setlist umfasst vor allem die ganz großen Hits von „A Place Called Home“ und „Our Darkest Days“, ergänzt natürlich um ein paar neue Songs und den Klassiker „Embrace“. Weitere ganz frühe Songs gibt’s nicht und wenn ich mich nicht täusche, übergehen IGNITE auch das 2016er Album „A War Against You“, welches ich im Vergleich auch nur „gut“ finde. Mit „Poverty For All“, „A Place Called Home“, “The Butcher In Me“, „Bleeding“, „On The Ropes“, „Who Sold Out Now?”, “Run” und “Fear Is My Tradition” treffen IGNITE offenbar nicht nur meinen Geschmack exakt, denn der Mob dreht trotz Bullenhitze vollständig durch. Körper wirbeln umher, Stagediver segeln tief und immer wieder suchen Menschentrauben das hingereckte Mikro. Eli Santana springt leichtfüßig von der Bühne und nimmt ein Schweißbad, um ohne sichtbare Anstrengung wieder zurückzujumpen. Die Ansagen teilen sich Brett Rasmussen, Nik Hill und Eli Santana – sie erinnern u.a. an ihr erstes Konzert im Treibsand 1994. An den Anblick von Craig Anderson mit Vollbart muss ich erst gewöhnen, ist aber angesichts seiner Tightness und Wucht auch völlig wumpe. Natürlich ist auch das U2-Cover „Sunday Bloody Sunday“ wieder dabei, das ist ja auch genial umgesetzt – wenn die Band nach dem Break wieder mit „toniiiight“ eingesetzt, klingt es, als sei das Stück für Hardcore komponiert worden. Die Zugabe scheint nicht unbedingt geplant gewesen zu sein, Lübeck gibt aber nicht locker und so kredenzen uns IGNITE noch das ruhige „Live For Better Days“, das viele Anwesende Wort für Wort mitsingen.

 

IGNITEIGNITE 

 

Ich bin sehr froh, dass wir dieses Konzert ziemlich spontan mitgenommen haben. Es war rundum gelungen und mit 18,- Euro im VVK auch mit einem fairen Preis angesetzt. Merke: Häufiger mal nach Lübeck ins Treibsand donnern! IGNITE gucken sowieso!

 

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