WACKEN OPEN AIR XXXIII / 01.08.2024 – Wacken, Tag 2
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Dienstag, 14. Januar 2025 13:43
- Geschrieben von Michael Strecker & Philipp Wolter
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Philipp: Die Sonne lacht, die Duschen sind dieses Jahr zur Abwechslung wieder eher kalt. Wir sind übrigens durch unsere „späte“ Ankunft am Mittwoch wieder einen Presse-Zeltplatz weiter gelandet, dort, wo wir vor zwei Jahren bereits einmal waren. Die Zahl der Dixis ist erhöht worden. Insgesamt kann man Wacken attestieren, viele Verbesserungen eingebracht zu haben, wir entdecken zum Beispiel mehr befestigte Wege und das Verkehrskonzept scheint auch aufgegangen zu sein.
Doppelbericht von Strecker und Wolter, Bilder von Strecker.
THE SWEET
Philipp: DIO DISCIPLES schaffen wir leider nicht, aber zu SWEET stehen wir immerhin pünktlich stramm vor der Louder Stage. 13:45 Uhr und der Platz ist voll wie Sau! So lange wird man diese Band auch nicht mehr sehen können, also besser hingehen. Ich habe THE SWEET tatsächlich erst 2019 zum ersten Mal gesehen, auch in Wacken, und war damals begeistert. Auch heute liefern die britischen Glam-Rock-Pioniere herrlich ab, wenngleich ich den 2019er Auftritt als etwas energischer empfand. Aber Andy Sweet ist definitiv gut drauf, was Sänger Paul Manzi mit den Worten "You're in luck, because Andy is ON FIRE!" bestätigt. Später auf der Tour wird Andy aus gesundheitlichen Gründen ein paar Dates pausieren. Die Band kann aus einem nahezu unendlichen Repertoire aus Hits schöpfen: Ich denke nach 20 Minuten, dass sie jetzt aber alle Granaten am Anfang verbraten haben, aber es geht einfach weiter und weiter und ich bin selbst überrascht, dass ich fast alles mitsingen kann. Ich nenne mal nur „Action“, „Hell Raiser“, „Set Me Free“, „Teenage Rampage”, “Love Is Like Oxygen”, “Fox On The Run”, “Blockbuster” und “Ballroom Blitz”. Alles dabei. Extrapunkt für die Frisur von Andy Sweet (echte Haare!) und noch einen für Manzis Ansage gegen Hologramm-Shows und für handgemachten Rock’n’Roll!
Strecker: Die Nacht war irgendwie zu kurz. Egal. Nach einem Kaffee und dem ersten Bier des Tages bin ich wach und wir gehen zur Louder Stage, um THE SWEET zu gucken. Vermutlich zum letzten Mal, da sich die Band auf Abschiedstour befindet. Von THE SWEET besitze ich ebenfalls keinen Tonträger und kenne trotzdem jeden Song der Setlist nahezu auswendig. Ich finde es bewundernswert mit wieviel Enthusiasmus Andy Scott die Songs nach wie vor spielt und nach wie völlig begeistert Blitz, Blitz the Ballroom Blitz mitsingt, obwohl er den Song bestimmt schon 100.000 mal gespielt hat. Schöns Konzert und ein guter Auftakt in den Festivaltag.
ARMORED SAINT
Philipp: Bei ARMORED SAINT tritt mal wieder der Fall ein, dass man eine Band gleich eine Woche nach dem HEADBANGERS OPEN AIR wieder in WACKEN sehen kann (wie letztes Jahr z.B. JAG PANZER). Sich die doppelte SAINT-Power abzuholen lohnt natürlich, handelt es sich schließlich um eine der besten Livebands überhaupt. Der Sound ist mega, die Bässe lassen richtig die Hosenbeine flattern. Und John Bush singt in seiner eigenen Liga (verrückterweise steht parallel gerade Joey Belladonna auf einer der anderen Hauptbühnen). Ich finde es mal ganz interessant, zwei Shows einer Band auf derselben Tour zu sehen und zu vergleichen. Die Leistung ist im Grunde gleich, die Band hat Bock und feuert aus allen Rohren. Auf dem HOA agierten die Saints als Headliner und konnten ganze 15 Stücke spielen, in Wacken sind es immerhin elf. „Chemical Euphoria“, „Last Train Home“, „March Of The Saint“, „Aftermath” (Gänsehaut!), “Win Hands Down”, “Can U Deliver”, “Reign Of Fire” und “Madhouse” sind z.B. drin geblieben, mit “The Pillar” ebenso ein selten gespielter Song und „Standing On The Shoulders Of Giants” unterstreicht, das auch das neueste Material von ARMORED SAINT zündet. Ganz stark!
Strecker: Weiter geht es mit ARMORED SAINT, die erneut mit Spielfreude und hochklassigem Heavy Metal der alten Schule überzeugen und die zahlreiche Zuhörerschaft vor der Bühne überzeugen. Gerade Ausnahmesänger John Bush freut sich über die positiven Resonanzen und verbringt gefühlt mehr Zeit des Sets im Fotograben, um Hände zu schütteln statt auf der Bühne. Sehr gutes Konzert, dass gerne noch etwas länger hätte gehen dürfen.
RAGE
Philipp: Für mich heißt es jetzt konstantes Pendeln zwischen den Hauptbühnen und die Stationen lauten RAGE, AXEL RUDI PELL, KK’s PRIEST, ACCEPT und SCORPIONS. Nichts Neues, aber manchmal lockt gerade das zigfach Bewährte. RAGE zeigen sich in exzellenter Form, was auch für Peavys Stimme gilt, die kraftvoll und klar aus den Boxen donnert. Den Anfang verpassen wir noch, weil er sich mit dem Ende von ARMORED SAINT überschneidet, aber zum Hitgewitter „Solitary Man“, „Refuge“ und „Black In Mind“ sind wir vor Ort. Mit „Let Them Rest In Peace“ präsentieren RAGE etwas von der „Wings Of Rage“ und bestätigen in der Folge mit „A New Land“ vom 2021er Album „Resurrection Day“, dass die jetzige Besetzung eine ganz starke ist. Jean Bormann erledigt den Zwei-Gitarren-Job auch prima allein und zeigt sich erneut als natural born Rockstar und Lucky ist nicht nur ein talentierter Drummer, sondern zudem ein starker Sänger, der Peavy gekonnt unterstützt (bei TRI STATE CORNER ist er der Leadsänger). Mit „Great Old Ones“ geht man dennoch zur Smolski-Ära zurück, die heutzutage als schwierige Zeit der Band gilt, die aber eben doch auch starke Songs und Alben hervorgebracht hat (ich mag z.B. die „Soundchaser“ sehr). Dass RAGE trotz großer Bühne auch zu Quatsch-Aktionen bereit sind, zeigt sich bei „Straight To Hell“, das von einem gewissen Axel Schmitt getrommelt wird. Der arbeitet eigentlich als Wacken-Bäcker, hat offenbar eine Wette verloren und soll nun Gast-Trommler spielen. Klappt aber tatsächlich gut. Mit „Don’t Fear The Winter“ und „Higher Than The Sky“ machen RAGE den Sack zu.
MR. BIG
Strecker: Für den Rest des Tages haben sich die Wege der Dremu-Crew getrennt und Kollege Philipp ist auf dem Infield unterwegs und ich bleibe zunächst bei der Louder Stage, um mir MR. BIG auf deren Abschiedstour anzusehen. Der Platz vor der Bühne war gut gefüllt und die Musik von MR BIG passt auch zu dem sonnigen Wetter und macht gute Laune, auch wenn es mit Take Cover einen Song gab, der dem verstorbenen Schlagzeuger Pat Torpey gewidmet wurde und somit für eine leichte Traurigkeit sorgte. Neben Hard Rock Songs wie Green Tinted Sixties Mind gab es natürlich auch die beiden Balladen To Be With You und Wild World und zahlreiche Bass- und Gitarrensoli zu hören. Gerade bei den Soli zeigte sich, dass hier weltklasse Musiker bei der Arbeit sind oder wie Siggi Sick es mal ausgedrückt hat „die können die Saiten schon bewegen“. Für mich ein herausragendes Konzert.
AXEL RUDI PELL
Philipp: AXEL RUDI PELL liefern immer! Heute sogar besonders gut, da der Sound super ausfällt und die Band gute Laune versprüht. Sänger Johnny Gioeli wetzt über die gesamte Bühne hin und her, schmettert dabei phantastisch. Meister Pell zockt herrlich, er zählt zu den Gitarristen, die keinem Menschen mehr etwas beweisen müssen. Klar ist Ritchie Blackmore sein offensichtlichster Einfluss, aber nach 19 Alben (plus im Grunde die vier STEELER-LPs) hat ARP sein eigenes Universum erschaffen. Vor dem Hintergrund finde ich es etwas seltsam, dass man sich eine LEONARD-COHEN-Covernummer gönnt, aber verdammt! – das Ding ist so geil gesungen und gespielt („Hallelujah“), dass das klar geht und sogar von Tausenden mitgesungen wird. Bobby Rondinelli fällt aufgrund einer Verletzung aus, wird durch den souverän drummenden Andree Schneider ersetzt, der aber noch während der Show über seine baldige „Kündigung“ informiert wird. Meine Highlights? Als Die-Hard-Pell-Fan schwierig zu beantworten, aber ich nenne mal „Wildest Dreams“, „Oceans Of Time“, „Mystica“, „The Masquerade Ball“ und „Rock The Nation“. Pell Power Pervers!
KK’S PRIEST
Philipp: Ähnlich wie bei ACCEPT und U.D.O./DIRKSCHNEIDER haben wir bei JUDAS PRIEST und KK’S PRIEST die Situation, quasi zwei Versionen einer legendären Band live sehen zu können. In beiden Fällen kann man die Diskussionen beobachten, dass jeweils einer Version die Relevanz abgesprochen wird. Ich sage: Freut euch doch als Fans, jetzt NOCH MEHR PRIEST- bzw. ACCEPT-Stoff zu bekommen! Ich persönlich habe mit den beiden KK’S PRIEST-Scheiben meinen Spaß. Eine Rückkehr von K. K. Downing zu JUDAS PRIEST ist eh unmöglich, da soll er doch mit seiner Version sein Ding durchziehen. Und es ist nicht zu leugnen: Diese Band hat Spaß und macht Spaß! Sind JUDAS PRIEST besser? Natürlich. Kann man KK’S PRIEST dennoch genießen? Aber hallo! Mit „Hellfire Thunderbolt“ donnern KK, Ripper und ihre perfekt in metalkompatible Kleidung gewandeten Mitstreiter mit voller Kraft los. Ein Song, der vor Klischees trieft – und gerade deshalb gut funktioniert. Neben weiteren eigenen Stücken wie „Strike Of The Viper“, „One More Shot At Glory“ oder „Sermons Of The Sinner” (sehr geiler Song mit Top-Chorus!) liefern KK’S PRIEST natürlich diverse „Coversongs“. Klassiker der Metalgeschichte, die wohl jedes Publikum der Welt zum Bangen brächten, nichts Anderes stellen „The Ripper“ (uh!), „Night Crawler“ (ah!), „Hell Petrol“ (Dschingis Kahn!) oder „Breaking The Law“ dar. Und mit „Burn In Hell“ spielt man sogar einen Song aus der unpopulären Phase, über die JUDAS PRIEST ja den Mantel des Schweigens legen. Heavy Metal!
ENDSTILLE
Strecker: Nach dem eher ruhigen Konzerten zu Beginn des Tages und obwohl noch immer die Sonne scheint, ist es nun an der Zeit für finsteres Geballer. Voll war es vor der Bühne und das Publikum feiert den eingängige und etwas punkig angehauchte Black Metal von ENDSTILLE gut ab. Obwohl einige Musiker etwas abwesend wirken denke ich, dass die Band die guten Resonanzen wahrgenommen hat und sich extra ins Zeug legen, erschöpfte eine Zuhörerschaft zurück zu lassen. Black Metal funktioniert auch bei Sonnenschein.
ACCEPT
Philipp: Zur obigen Einleitung möchte ich bezüglich der „U.D.O. oder ACCEPT“-Diskussion hinzufügen, dass die Lage hier natürlich doch nochmal anders aussieht. Dass U.D.O. das Ding mit seinem Sohn am Schlagzeug und nun auch noch mit Peter Baltes am Bass durchzieht, verleiht ihm ein paar mächtige Sympathiebonuspunkte. Viele sagen, dass er den Namen ACCEPT viel eher verdiene statt Wolf Hoffmann und seine Mi(e)tmusiker. Auf der anderen Seite weiß keine:r, was wirklich hinter den Kulissen passiert ist. Und ACCEPT rasieren heute eh alles weg, so dass die ganze Debatte sich in Luft auflöst. Mit der Drei-Gitarren-Front sägen die Hunde meterweise Nackenwirbel durch. Die Setlist reiht Knaller an Knaller, wobei neuere Songs wie „Shadow Soldiers“, „Pandemic“ oder „Teutonic Terror“ sogar neben den Klassikern bestehen können. An „London Leatherboys“, „Restless And Wild“, „Breaker“, „Princess Of The Dawn”, “Metal Heart” oder “Fast A Shark” kann ich mich in diesem Leben nicht mehr satthören, zumal sie richtig zackig gespielt werden und mit mächtigem Sound daherkommen. Zum Finale wird der Ripper dazugeholt und performt mit Mark Tornillo „Balls To The Wall“ im Duett. Stark!
SCORPIONS
Philipp: Zeit fürs Finale und einen mehr als würdigen Headliner – die SCORPIONS! Zunächst gilt es, Klaus Meine riesigen Respekt zu zollen, dass er das Ding derart amtlich durchzieht. Denn gesundheitlich erscheint der Mann stark angeschlagen, kann sich offensichtlich kaum bewegen. Für zweifelhafte Ferndiagnosen stehe ich nicht zur Verfügung, ich weiß nur, dass Klaus Meine dennoch toll singt und das entgegen mancher Hate-Kommentare eindeutig live (ein Wacken-Klassiker - manche „Experten“ wissen offenbar nicht, dass die Videoscreens das Livegeschehen mit leichter Zeitverzögerung dokumentieren). Und auch der Rest der Band der Band verdient Lob bis Verehrung: Matthias Jabs zockt zum Niederknien und zieht wohl die geschmackvollsten Soli des Festivals vom Leder. Mikkey Dee treibt die SCORPIONS motörisierend voran und spielt gleichzeitig songdientlich. Die Setlist – ein Traum (die ganz alten Stücke wird ja ULI JON ROTH nur zwei Tage später spielen)! Nicht weniger als 11 Songs plus ein Jabs-Solo werden geballert, davon gleich acht „Love At First Sting“-Classics, da diese Platte gerade ihr vierzigjähriges Jubiläum feiert (hach, das war damals auch mein erstes SCORPIONS-Konzert im Hamburger CCH mit JOAN JETT als Support). „Coming Home“, „Make It Real“, „The Zoo“, „Coast To Coast“, „Bad Boys Running Wild” sind nur ein paar der Höhepunkte. Ich empfinde “Wind Of Change” als magischen Moment. Der Text wurde in Hinblick auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine mahnend verändert, Zehntausende singen mit. Gänsehaut! „Blackout“ kommt knackig, zu „Big City Nights“ kommt Doro hinzu, bevor sich SCORPIONS mit „Still Loving You“ und „Rock You Like A Hurricane” verabschieden. Vielleicht für mich das letzte Konzert der Band, denn am Hannover-Termin mit JUDAS PRIEST und ALICE COOPER habe ich keine Zeit. Insofern sage ich jetzt schon Danke für den vielen Rock.
Strecker: Die SCORPIONS habe und werde ich auf deren „Abschiedstour“ häufiger sehen als auf deren regulären Touren vorher. Aufgrund des 40 jährigen Jubiläum von Love At First Sting wird das Hauptaugenmerk der Setlist auf diese Platte gelegt und es werden auch Songs gespielt (The Same Thrill), die es normalerweise nichtmehr auf die Setlist schaffen. Ergänzt werden die Songs um Klassiker und neue Songs wie z.B. The Zoo und Gas In The Tank. Die Musiker agieren wie gewohnt spielfreudig, auch wenn Sänger Klaus Meine etwas hüftsteif wirkt. Hoffen wir mal, dass es sich nur um eine vorübergehende Einschränkung handelt und keine ernsthafte Erkrankung ist. Die Gesangsleistung ist trotzdem top. Tolle Setlist, tolles Konzert und anders als Kollege Philipp habe ich an dem Hannover-Termin Zeit und bereits eine Karte und freue mich darauf die SCORPIONS ein weiteres mal live zu erleben.