MICHAEL SCHENKER GROUP, ROOK ROAD, GREY ATTACK / 10.04.2025 – Hamburg, Fabrik
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Mittwoch, 16. April 2025 09:55
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Zum vierten Mal komme ich heute in den Genuss, MICHAEL SCHENKER live zu sehen und spannenderweise kommt der Mann stets mit einem neuen Konzept. Meine erste Schenker-Liveerfahrung fand 1993 im Rahmen der U.F.O.-Reunion statt (Große Freiheit), es folgte die „Thank You“-Tour, auf der reine Akustik-Sets gespielt wurden (in HH ebenfalls in der Gr. Freiheit). Aber was mir stets ein sehnlicher Wunsch blieb, war es, endlich mal ein MSG-Konzert zu sehen, nachdem ich 1983 das Konzert von MSG und IRON MAIDEN in der Kieler Ostseehalle verpasst hatte. Ich wartete schlappe 40 Jahre auf meine Chance und bekam sie dann 2023 auf dem ROCK HARD FESTIVAL. Auch das heutige Konzert steht unter einem speziellen Aufhänger, nämlich „My Years With UFO“, auf dem der Gitarrist das 50jährige Jubiläum seiner Zeit bei UFO feiert. Gespannt mache ich mich auf den Weg, waren doch alle genannten Konzerte geradezu rauschhafte Erlebnisse für mich. Wen er wohl dieses Mal in seiner Band und am Gesang haben würde? Ich recherchiere sowas ja vorher nie und lasse mich lieber überraschen. Ready to rock? Dann hebt das UFO ab:
Bilder von Rüdiger Naffin.
Die Schlange vor der Fabrik überrascht dann doch: Ausverkauft, die Leute stehen aus zwei Richtungen jeweils mehrere hundert Meter an. Einer wartet schon seit ca. 16:00 Uhr vor der Fabrik: Mein Kollege Rüdiger, den viele DreMu-Leser:innen als hartnäckigen Autogrammjäger kennen dürften. Ich erwähne das, weil er mir später folgende Anekdote erzählt: Rüdiger steht dort also mit vier anderen Nasen, die ebenfalls auf Schenker warten. Die Band absolviert drinnen bereits ihren Soundcheck, da fährt der Maestro im Jaguar vor und hält direkt neben der Fabrik. Schenker zu den fünf Autogrammjägern: „Kein Problem, aber nur ein Autogramm pro Person!“ Rüdiger kennt das schon, hat natürlich drei Fotos dabei, die er unterschrieben haben will, und wendet einen altbewährten Trick an: Er stellt sich nach jedem erfolgreich erhaltenen Autogramm einfach noch mal hinten in die Schlange. Die anderen machen das natürlich genauso. „Und sagt der Schenker dann beim zweiten oder dritten Mal nichts? Der muss dich dann doch erkennen?“, frage ich nach. Nein, das sei kein Problem, viel schwieriger werde es, wenn man die Regel „eine Person – ein Autogramm“ zu hinterfragen versucht. Ich muss schon ein wenig kichern, wenn ich mir diesen Mini-Circle-Pit aus fünf Autogrammjägern vorstelle, den der Schenker geduldig abarbeitet.
GREY ATTACK müssen den besten Booker der Welt haben. Ich sehe die Band heute zum vierten Mal, sie waren in der Vergangenheit Support für Y&T, LOUDNESS, ANVIL oder NAZARETH. Musikalisch passen sie allerdings nur bedingt zu diesen Hochkarätern. Klar spielen sie Hardrock, definitiv auch handwerklich souverän und der Gesang (Grey Charlez, g/v) wird jedes Mal ein wenig stärker. Meine Kritik bezieht aber auf das eher spannungsarme Songwriting. Für eine mitreißende oder nachhaltigere Wirkung bräuchte es interessantere Gesangslinien, wenigstens ab und zu etwas Tempo und größere Refrains. So bleibt es beim Mittelmaß.
Als echte Überraschung müssen ROOK ROAD bezeichnet werden. Schwere Hammondorgel, knackige Riffs und ein toller Sänger machen mich sofort hellhörig. Der Sound ist in der Fabrik aber auch super – wie immer eigentlich (könnte mich an kein Gegenbeispiel in den letzten 40 Jahren erinnern). Mich erinnert die deutsche Band angenehm an DEEP PURPLE zu „Perfect Strangers“-Zeiten. Das geht gut nach vorne, die Melodien zünden auf Anhieb und insgesamt pumpt die Chose schön heavy in die Knochen. Durch die Menge geht ein Ruck, schnell sind alle Hände oben und mit jedem Song steigt der Applaus. Das ist nicht selbstverständlich, schließlich sind alle erschienen, um einen DER großen Rockstars Deutschlands zu sehen. Aber dieses Publikum checkt eben auch, wann ihm richtig guter ROCK kredenzt wird. Und das ist bei ROOK ROAD der Fall! Gutes Zeichen: Gleich drei Songs und deren Titel bleiben mir Gedächtnis, nämlich „Killing The Giant“, „Sisters & Brothers“ sowie „Talk Too Much“. Würde ich mir wieder angucken.
IRON MAIDEN nutzen seit Jahrzehnten den UFO-Song „Doctor Doctor“ als Intro, da erscheint es logisch, dass Ex-UFO-Gitarrist Michael Schenker wiederum auf seine Einflüsse verweist: Zum „Immigrant Song“ von ZED ZEPPELIN gehen die Lichter aus, während ich die Lampen voll an habe – vor Euphorie versteht sich! Aaaah, dieser Ton! Ich bin selbst kein Gitarrist und weiß im Grunde nichts von der aktiven Seite des Gitarrenspielens. Aber schon als Sechzehnjähriger fühlte ich etwas Besonderes am Spiel Schenkers. Natürlich sind Equipment und das Instrument an sich nicht unwichtig, zu Schenker gehören die Flying V und das Cry Baby-Pedal wie die Kutte zum Headbanger, aber entscheidend sind die magischen Finger und wie sie beim Bending die Tonhöhe variieren. Das empfinde ich bei Schenker und seiner typischen Melodieführung besonders stark, gerade auch wieder heute in der Fabrik, deren Charme (dieses verzapfte Holz ohne jegliche Schrauben, Stahlteile etc.!) irgendwie besonders gut zu Hardrock und Blues passt. Mit „Natural Thing“ geht’s gleich in die Vollen und nachdem meine Augen sich vom Mainman lösen können, bin ich überrascht, wer am Mikro steht: Erik Grönwall, Ex-H.E.A.T. und Ex-SKIDROW. Der Kerl hängt sich richtig rein, interpretiert die Gesangslinien und Texte Phil Moogs mit Kenntnis und Leidenschaft. Der Kerl wirkt, als singe er um sein Leben! Aber auch alle anderen Bandmitglieder der MICHAEL SCHENKER GROUP brennen. An der zweiten Gitarre und gelegentlich an der Orgel rockt Steve Mann, der im Grunde genau so bekannt sein müsste wie Schenker selbst und der auch viele Soli spielt. Ebenfalls seit Ewigkeiten an Schenkers Seite befindet sich Schlagzeuger Bodo Schopf und den Bassisten Barend Courbois kennt man u.a. von TANK, VENGEANCE, BLIND GUARDIAN oder WHITE SPIRIT. Natürlich kommen die erhofften Klassiker zum Zuge, zum Beispiel „Only You Can Rock Me“, „Doctor Doctor“ (gleich an vierter Stelle), „Mother Mary“, „I’m A Loser“, „This Kid‘s“, „Love To Love“ (super!), „Let It Roll“, „Can You Roll Her“, „Shoot Shoot“ oder „Rock Bottom“. Aber, und das finde ich toll, auch weniger bekannte Stücke sind vertreten, nämlich „Hot’n’Ready“, „Lipstick Traces“ und „Between The Walls“ (bei einer so einflussreichen Band wie U.F.O. darf man natürlich über den Begriff „unbekannt“ streiten). Michael Schenker stellt alle Musiker vor und widmet den furiosen Abschlusssong „Too Hot To Handle“ seinen verstorbenen U.F.O.-Kollegen Pete Way und Paul Raymond. Fantastische Show, die wohl keinen kalt gelassen haben dürfte!
Was stellt der Schenker wohl als nächstes an? Ich bin dabei!