FAITH NO MORE, ZU, FARMER'S MARKET / 16.06.09 – Berlin, Kindl-Bühne (Wuhlsheide)

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Sickos unterm freien Himmel. Das ist die Kurzfassung unseres Berlintrips zu den wiedervereinigten Amis von FAITH NO MORE. 12 Jahre nach Erscheinen des letzten Albums "Album of the Year" hat sich die Band in der letzten Besetzung zu FAITH NO MORE 2.0 - so die Bezeichnung auf den offiziellen Tourshirts - zusammengefunden. Obwohl Tour - neben einem Festivalauftritt beim Hurricane gibt es meines Wissens nur 2 Gigs in Deutschland. Das führte dann ja auch zu der spontanen Reise in die Hauptstadt.

 

Eine positive Überraschung ist schon mal der Veranstaltungsort: Die Kindl-Bühne in Wuhlsheide ist ein im Riesenpark (mit eigener Bimmelbahn) gelegenes Amphitheater, der Kieler Krusenkoppel vergleichbar, nur eben 5x so groß. Supernett, und da unerwarteterweise auch die Sonne lachte, konnten wir es uns mit unseren Berliner Gastgebern erstmal gemütlich in dieselbe hauen und Willkommensdrinks zu uns nehmen. Nachdem auf der Karte großspurig aufgedruckt war, man könne Getränke in PET-Flaschen mit aufs Gelände nehmen, waren wir erstaunt, dass man zwar tatsächlich die Flaschen, nicht aber die DECKEL mitnehmen durfte! Die spinnen, die Berliner.


Relativ pünktlich betraten FARMER'S MARKET die Bühne. Die Norweger, (stilistisch nicht als solche erkennbar) mit Akkordeon, Saxophon und gelegentlich Querflöte bewaffnet, hauten uns ihre schwer verdauliche Mischung aus Free Jazz mit finnischen und arabischen Einflüssen um die Ohren. Dieser selbst betitelte „BalkanSpeedBoogie“ war nicht gerade was zum Anfüttern. Gesang gabs keinen, Interaktion mit dem Publikum auch nicht. Es war durchaus interessant, was die Band zeigte. Die Akteure waren durch die Bank technisch überaus versiert, aber da kaum nachvollziehbare Songstrukturen auszumachen waren, hielt sich die Publikumsreaktion doch sehr in Grenzen. Meiner Meinung nach hätten 2-3 Lieder locker gereicht. Als Anheizer kann man FARMER'S MARKET kaum bezeichnen, das war eher was für die Musikerpolizei oder ein aufgeschlossenes Jazzpublikum. Ganz klar, das FNM-Frontman Patton seine Finger bei der Auswahl der Vorbands im Spiel hatte, erinnerte der Kram von der Vertracktheit durchaus an Pattons Projekte wie FANTOMAS oder MR.BUNGLE.


Noch viel mehr gilt dies für die 2. Vorband ZU, auf deren Album Mike Patton auch in Erscheinung tritt. Dieses Trio aus Italien hatte mit ihren Vorgängern nur gemein, dass sie auf Gesang verzichteten. Ansonsten bewegten sie sich stimmungsmäßig auf völlig anderen Pfaden, denn trotz der übersichtlichen Instrumentierung aus Bass, (Bass-)Saxophon und Schlagzeug waren die Kollegen alles andere als leichtfüßig unterwegs. Der Bass klang wie die sprichwörtliche Abrissbirne, hier wurden größtenteils fiese Akkorde geschrubbt und gnadenlos durch irgendwelche Effektgeräte gejagt. Dazu hupte oder quietschte das Saxophon schräge Töne in das Klanginferno, das so wenig entspannend war wie eine Wurzelbehandlung. Das Tempo war meist ziemlich schleppend, was aber gar nicht so leicht auszumachen war, denn der Drummer überraschte immer wieder mit jazzigen Rhythmusfiguren, so dass leichte Ansätze von Grooves immer wieder zerrissen wurden. Mal ganz ehrlich: diese 3 Freejazz-Grinder waren um einiges fieser als so manche ganz böse Death-Metal Formation. Irgendwie hatte es seinen Reiz, aber die Schmerzgrenze war schnell erreicht. Ich frage mich, wie man einen ganzen Gig dieser Band durchstehen soll. Vielleicht hatten Faith No More ihre Supports absichtlich so gewählt, dass man einfach den Headliner herbeisehnen musste. Angesichts der eher hippieesken Atmosphäre wirkten ZU einfach etwas deplatziert und viel zu lang. Beachtenswert bei beiden Supports ist das Selbstvertrauen und die Souveränität, mit der beide ihre schwerverdauliche Kost dem Publikum kredenzen. Kann ich mir nicht vorstellen, dass beide Bands im normalen Leben in Clubs mit mehr als 50 Freaks spielen...

 

In der zumutbaren Umbaupause wurde dann die Bühnendeko zu ganzer Pracht entfaltet. Auf beiden Seiten und im Hintergrund waren nur Vorhänge in sattem Rot zu sehen, kein Backdrop oder so was. Sah sehr gediegen aus. FNM enterten die Bühne in pastellfarbenen Maßanzügen, jeder in einer anderen Farbe. Von hellblau bis apricot war alles dabei. Als Letzter humpelte Mr. Patton himself mit Krückstock zum Mikroständer, eine nette Anspielung auf das Alter der Band (wie wohl auch auf einen großen Anteil des Publikums einschließlich der Autoren). Dazu legt er ein herzzerreissendes und das Publikum nachhaltig verwirrendes Schnulzenduett mit dem Keyboarder hin. Es handelt sich (ich gebe zu, nachträglich recherchiert) um die Siebzigerschnulze "Reunited" (Achtung Witz!) von PEACHES & HERB. Welch geniale Inzenierung und Selbstironie!

Nachdem klar war, dass Mr. Patton das Singen kein bisschen verlernt hat, ging ´s mit „The real thing“ etwas müde los. Klar, der Song ist super, braucht aber zu lange bis mal wirklich was passiert. Da hätte ein echter Kracher hingehört.

Die Songsauswahl liess letztlich aber wenig Wünsche offen. Die Band spielte sich quer durch Ihr ganzes Schaffenswerk (siehe Setlist). Lediglich das etwas öde BEE GEES-Cover "I started a Joke" und der Rausschmeißer "Pristina" hätte aus meiner Sicht rausfliegen können. Dafür gab es andere Überraschungen wie "Evidence" komplett auf spanisch.  Die Band zeigte sich in enormer Spielfreude, wobei Mike Patton sich nur schwer beherrschen konnte, sich an die bekannten Songstrukturen zu halten, welche er dann auch gerne besonders in den Songs aus der Pre-Patton -Ära gerne verliess, z.B. bei "Introduce yourself". Generell liess er wenig Chancen aus, um zwischen den Gesangsparts in wilde Schrei- und Geräuschattacken zu verfallen. Als Hilfsmittel nutzte er dazu ekzessiv ein Megaphon und sein eigenes Effektgerät, an welchem er oft herumfummelte und seine Stimme rauf und runterpitchte, was drollige Effekte ergab.

Beim Line-Up handelt es sich übrigens um das letzte FAITH NO MORE-Lineup vor dem Split, also ohne Jim Martin an der Gitarre, der damit wohl weiterhin an einer eigenen Sonnenbrillenkollektion basten darf (haha).

 

Showelemente außerhalb der Musik fielen aus, die Band wollte offensichtlich die Musik für sich selbst sprechen lassen. Allerdings gab es ein mehrminütiges Intermezzo, als ein Portemonnaie auf die Bühne flog, welches von Herrn Patton genüsslich auseinandergenommen und kommentiert wurde. ("Tekniker Krangenkassä? Is it a Bank? She's a rich girl!")

Zum Abgehen und Mitshouten sind die FNM-Songs bedingt geeignet (weil zu kompliziert und auch teilweise langsam). Bei "Midlife Crisis" allerdings setzte die Band mittendrin aus und ließ das Publikum weitermachen - was sehr gut funktionierte und ein wenig Gänsehautfeeling rüberbrachte... Durch die FAITH NO MORE typischen Einsprengsel von Fragmenten anderer Songs und Umstellungen in den Songs selbst wurde der Tanzfluss zudem ein ums andere Mal abgelöst durch irritierte Blicke des Publikums – aber das gehört bei FNM einfach dazu!

Der Gitarrist blieb optisch wie akustisch leider nur Statist in der Band. Erst in der zweiten Hälfte des Gigs hatte der Mischer wohl gemerkt, das was fehlte und drehte ihn etwas lauter. Das dominierende Instrument im Klanggewebe blieb aber immer der Bass. Ok, das gehört bei FNM dazu, aber ich fand immer das gleichberechtigte Nebeneinander von Gitarre, Bass und Keyboards das Besondere und diese Klangbalance haben sie an diesem Abend leider nicht getroffen.

 

Kommentar zur 2. Zugabe: leider überflüssig wie 2 Kröpfe. „Pristina“ ist eigentlich ein perfekter Ausklang, aber wirklich nicht spannend. Nur wegen dieses einen Songs noch mal rauszukommen, wo die Leute noch mal richtig aufdrehen wollten, war ein Griff ins Klo.

Insgesamt ein interessanter Abend und welcome back, FNM. Gerüchte über ein neues Studioalbum machen die Runde, das wäre natürlich der Knaller. Es war klar, dass eine DER Bands der Neunziger in keinster Weise an Reiz verloren hat!

 

P.S.: Hatte ich vergessen zu erwähnen, ein Gig mit Big Sick Ugly Jim wäre natürlich der Knaller gewesen, aber irgendwas ist ja immer.

 


Die Setlist:

1.Reunited
2.The Real Thing
3.From Out Of Nowhere
4.Land Of Sunshine
5.Caffeine
6.Evidence (spanisch)
7.Poker Face/Chinese Arithmetic
8.Surprise! You're Dead!
9.Easy
10.Ashes to Ashes
11.Midlife Crisis
12.Introduce Yourself
13.The Gentle Art of Making Enemies
14.I Started a Joke
15.King for a Day
16.Be Aggressive
17.Epic
18.Cuckoo for Caca
19.Mark Bowen

20.Chariots of Fire/Stripsearch
21.We Care A Lot

22.Pristina

 

Kommentare   

0 #1 da Kad 2009-08-04 08:45
Yeah, ich war auch inner Wuhlheide! -alleine - und fand es einfach nur wunderbar :)
Ich war ganz erschrocken, dass so wenig los war. Als ich hörte, dass FNM doch allen Ernstes spielen würde, es auch noch Karten gab und ich sie ja wirklich noch mal live würde sehen können, musste ich mir sofort Urlaub nehmen... (der Grammatikfreund...*haspel*) Beim Kartenkauf war ich total nervös :D *hibbel* OMG
Scheißegal!
Das Konzert war herrlich, ich bin immernoch ganz entzückt, wenn ich daran zurück denke und Mike Patton ist und bleibt eine Rakete!

Viele Grüße
danke für den Bericht
da Kad

'Tekniker Krangenkassä' ...haha wie schön. Er sollte mir den AB besprechen.
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