DESPISED ICON, ARCHITECTS, HORSE THE BAND, I WRESTLED A BEAR ONCE etc. / 06.11.09 – HH, Markthalle

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Wie klingt eine Mischung aus Björk, FAITH NO MORE und Extrem Metal? Und wer sind eigentlich die musikalischen Vorreiter von ANTITAINMENT und MOvS?

Die Antwort auf erstere Frage lautet: so wie I WRESTLED A BEAR ONCE. Und die auf letztere: HORSE the band!

„Nach drei Bands kann ich nicht mehr!“, so urteilen eigentlich die meisten meiner Bekannten über Konzis mit vielen Bands im Billing. Nun, ich scheine nur Punks zu kennen, die das Gegenteil tun, was übliche Konsumenten bevorzugen: Festivaltouren sind der heiße Scheiß. Trotzdem klappt mir doch der Unterkiefer runter, als ich um 18.20 Uhr die große Markthalle für die erste Band betrete – und diese VOLL ist. Vorher musste man übrigens noch am buntesten Merchstand der Welt vorbei. Diese Tour ist gesponsert von „Imperial Clothing“. Wer diese Klamottenmarke kennt, weiß: bunte All-Over-Prints sind hier das Gesetz. Augenkrebs galore! Vom Eingang bis zur Garderobe ein Farbenfest, was Mutter Natur in keinem Frühling überbietet. Und glaubt es oder leckt mich am Arsch: 95% der Besucher haben „Imperial Clothing“-Klamotten an. Schon der noch im zarten Twen-Alter befindliche El Tofu hebt das Durchschnittsalter heute massiv an…

ABER: Wer nun meint, dass dat alles gleich heißen soll, dass der Abend furchtbar verlaufen wird, der irrt. Dat musikalische Programm ist qualitativ mehr als überzeugend und bringt die eine oder andere positive Überraschung.

THE GHOST INSIDE sind schon mal nicht schlecht. Im Vergleich zum Rest sogar recht old schoolig und ziemlich klar dem Hardcore zuzuordnen. Am überraschendsten ist eigentlich, dass die BesucherInnen die Songs bereits so gut kennen, diverse Textzeilen laut (!) mitgebrüllt werden und es bereits heiß hergeht. Wir leben halt im MySpace-Zeitalter. Ziemlich viele Windmiller und Violent Dancer sind leider zu beobachten (obwohl das auch schon einen gewissen Unterhaltungswert hat).

Auf I WRESTLED A BEAR ONCE sind wir natürlich sehr gespannt, El Tofu ist schon lange Fan und hat uns mit Videos und Songs heißgemacht. Ich habe es eingangs bereits beschrieben: Diese Band steht für das Einreißen jeglicher musikalischer Grenzen und allein die Sängerin bietet so ziemlich alles, was die menschliche Stimme an Tönen hervorzubringen vermag. Neben Growls, Grunts und fiesen Pigscreams kann sie aber auch richtig singen. Clean Gesang nervt mich meistens (jedenfalls so glatter, wie er im Metalcore häufig vorkommt), hier ist das aber dat I-Tüpfelchen des Irrsinns. Wobei man schon sagen muss, dass I WRESTLED A BEAR ONCE ihre Songs schon mit derart viel Chaos und Stilwechseln vollpacken, dass ein roter Faden selten vorhanden ist, auf heftiges Geböller folgt Country, Jazz, Swing, ____ (trag hier irgendeinen Stil ein. Passt schon!). Doch scheiß drauf, live geht die Bande ab, der dürre Hippie-Gitarrist springt mit Klampfe ins Publikum und lässt die Leute dudeln, der Drummer spielt relaxt wie’n Reggae-Schlagwerker, der Mob dreht durch und feiert vor allem den Netzhit „Tastes like Kevin Bacon“.

OCEANO sind dagegen einfach nur auf die Fresse. Deathcore mit einem beeindruckend wütend grunzenden schwarzen Frontklops. Der Gesang ist leider einen Tucken zu leise, die ganze Stimmgewalt offenbar sich erst später, als der Typ bei DESPISED ICON noch mal einen Gastauftritt hat. Ansonsten gibbet nicht viel zu sagen, außer dass meine Zähne jetzt noch wackeln und diese Band uns allen im Streckermobil gefallen hat.

Was man leider nicht über AS BLOOD RUNS RED sagen kann. Die sind irgendwie doof. Viel zu steif und posig stolziert der Sänger hin und her und nur weil die Band in Form einer fitten Gitarristin die Gleichstellungsquote wenigstens etwas aufpoliert, kann sie hier auch keinen Bonus einfahren. Dazu sindse dann eben doch wieder der typische Metalcore, wie wir ihn NICHT mehr hören können oder wollen.

And now on to something completely different… Aber sowas von. Ihr kennt NO FX und bewundert sie für „Backstage Passport“? HORSE THE BAND haben auch eine Welttour durch Orte gemacht, die wenige Bands betourt haben. Aber D.I.Y. – in Wuhan, Bangkok, Kuala Lumpur, Istanbul, Tel Aviv oder Moskau, alles mit aufm Boden pennen. Und dass diese Band nicht mehr alle Tassen im Schrank hat und man sie deshalb ganz unbedingt lieben muss, zeigt jede Sekunde ihres Auftritts. Synthie-Nintendo-Hardcore-Punk mit Wut im Bauch und mehr Punk als Punk erlaubt. Der Sänger trägt den hässlichsten Schnurrbart und mokiert sich über seine Bandmitglieder, deren Versuche, sich auch so hübsch zu präsentieren, maximal „poor“ ausfielen. Ein frecher Diver versucht das nassgeschwitzte Shirt des Keyboarders zu ergattern, dass dieser irgendwann achtlos auf den Boden geworfen hat – und wird daraufhin vom Sänger mit dem Lappen ausgepeitscht… Das Publikum wird immer wieder irritiert, da man Songs wie „Cloudwalker“, „Shapeshift“ oder „Science Police“ einfach nicht durchmoshen kann, ihr manischer Einsatz scheint aber mit der Zeit jeden zu begeistern: So spontan wie das gesamte Gebaren der Band, so spontan verlangt schließlich die komplette Markthalle “one more song“.

ARCHITECTS hat El Tofu von vorneherein als prollig abgehakt, Strecker und ich müssen nach dem Auftritt dringend widersprechen. Die Band ist zwar nichts Besonderes (wenn man gerade HORSE THE BAND und I WRESTLED A BEAR ONCE gesehen hat, allerdings auch schwierig…), haut aber gut rein und versprüht Energie. Der Sänger fordert zwar etwas penetrant zum Stagediving auf, springt aber wenigstens selbst beherzt weit hinein in den tobenden Mob und hat auch Erfolg damit: Beim letzten Song muss sich die Band aufs Drumpodest zurückziehen, so viel Diver fluten auf die Bretter.

Ich finde DESPISED ICON heute deutlich besser als unlängst im Hafenklang. Hatte ich damals moniert, dass die Sänger nicht viel Action machen, so gefällt mir ihr unprätentiöses Auftreten nach all den exaltierten Bands irgendwie gerade. Fast schon gemütlich latschen die über die Bühne und grunzen und screamen um die Wette. Die Band profitiert vom besten Klang des Abends – bei keiner anderen Combo sind die Klampfen so fett und laut. Das mag auch der Grund sein, warum es in der Markthalle immer noch heftig zur Sache geht. Die Leute sind einfach nicht tot zu kriegen, einige hab ich beobachtet, die den ganzen Abend über abgegangen sind. Respekt. DESPISED ICON rangieren nach diesem Auftritt recht weit oben in der internen Wertung des Streckermobils (wobei HORSE the band von allen die Höchstnote bekommen), Sympathiewerte hat ihnen dabei sicherlich die Aktion eingebracht, beim letzten Song fast alle Sänger des Abends für Gastgebrüll auf die Bühne zu holen (wirkt so schön familiär).

Kommentare   

0 #2 Philipp Wolter 2009-11-08 21:48
Ha ha, ja, das Zitat stammt aus einem Dialog zweier Besucher, die sich über die DESPISED ICON-Brüllköppe unterhielten...
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0 #1 Andy 2009-11-08 21:48
'Ich fand den Sänger ja besser als den Shouter...!'

zu erwähnen währ noch das Phillip ne neue Band namens PISSKONTO gründen möchte!
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