REINER KRÖHNERT / 25.03.10 – Kiel, Kulturforum

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Ich kann die ganzen Comedy-Fuzzis à la Mario Barth und Konsorten nicht ausstehen. Ich gebe es zu: Bei solchen Typen klappen sich mir die Fußnägel hoch! Ich bin da eher oldschool und liebe das Politkabarett alter Schule. Vielleicht liegt's daran, dass ich in einer Familie mit Dieter Hildebrand-Fans groß geworden bin? Wer weiß. Endlich war es mal wieder soweit, dass Polit-Kabarettist Reiner Kröhnert mit seinem neuen Programm „Das Jesus-Comeback“ in Kiel gastierte. Also packte ich Doc Doom unter den Arm und machte mich auf den Weg. Naja, eigentlich war's eher anders herum...

Das Kulturforum ist sicher kein schöner Auftrittsort, aber die Nähe zum Vorführenden ist hier gegeben und das ist bei jemanden wie Kröhnert wichtig. Er ist ja, platt gesagt, ein Imitator/ Parodist. Allerdings beschränkt sich seine Imitation von Promis nicht wie bei vielen Kollegen auf die Stimme, sondern Kröhnert wird in seiner gesamten Haltung zur Person, bis hin zu den Mundwinkeln (Angela Merkel! Unglaublich). Die Auswahl seiner Personen ist nach wie vor nicht unbedingt die aktuellste, man merkt, dass Kröhnert einfach seine Lieblingscharaktere hat, die er in immer neue Stories einbettet. Bei dem „Jesus-Comeback“ sind das z.B. Klaus Kinski als auferstandener neuer Heiland, der in seiner ganzen Haltung (begleitet von einem latenten, den ganzen Körper erfassenden Zittern der Anspannung) den Abscheu vor der Menschheit im Allgemeinen und vor den Politikern im Speziellen ausdrückt. Kinski hat auch immer die schönsten Dialoge wie z.B. im Zwiegespräch mit Norbert Blüm (auch ein Lieblingscharakter, hier als zweifelnder Jünger): „Halt die Fresse Geisteszwerg. Habe ich gesagt: 'Geisteszwerg, sprich! Lass und an deiner Dummheit teilhaben?'“ Das ganze im Kinski-Timbre-genial! Weitere Lieblingscharaktere sind z.B. Politpfarrer Peter Hintze, Friedrich Merz als Turbokapitalist und der unvermeidliche Erich Honecker („Lieeeebe Gnosssnnnen und Gnossssen“) als moderner Lazarus.

Die Story: Kinski ersteht von den Toten auf und wird als neuer Messias gefeiert. Die CDU (in Form von Hintze, Roland Pofalla und Michel Friedman) erkennt die Chance, sich als christliche Partei zu erneuern und will den Messias zum Ehrenvorsitzenden machen. Angela Merkel, die evangelische Pastorentochter und ehemalige FDJ-Aktivistin, die eigentlich in die SPD wollte, aber von Helmut Kohl verführt wurde, und Norbert Blüm, der seinen „Jahrhundertsatz“ (Blüm über Blüm) „Marx ist tot, aber Jesus lebt“ nicht entsprechend gewürdigt sieht, agitieren gegen Jesus Kinski. Und auch Papst Benedikt mischt irgendwie mit.

Dabei ist Kröhnert in diesem Programm tiefgründiger und kritischer als in vorangegangenen Programmen. Denn „Das Jesus-Comeback“ ist eine kritische Auseinandersetzung mit Religionshörigkeit und dem Christentum. (Benedikt: „Wir haben uns bei den Juden für den Holocaust entschuldigt. Und was ist mit der Entschuldigung, dass sie Jesus gekreuzigt haben? Auf diese Entschuldigung wartet das Christentum geduldig und demütig seit 2000 Jahren.“) Auch die Kriegspolitik von Kosovo bis Afghanistan bekommt gehörig das Fett weg. („Ihr sagt, es seien friedensschaffende Maßnahmen. Ihr führt Frieden, und die Opfer sind Friedenstote!“). Dies ist eine neue Dimension in Kröhnerts Schaffen und das Lachen bleibt einem ein ums andere Mal im Halse stecken. Der Abend war wie immer gelungen und dank der schon oben beschriebenen Parodie-Fähigkeiten Kröhnerts könnte man das Programm auch ohne Ton genießen. So war es aber ein (nicht immer) lustiger Abend mit Message.

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