KREATOR, EXODUS, DEATH ANGEL, SUICIDAL ANGELS / 05.12.2010 – Hamburg, Markthalle

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Eines schönen Tages im Jahre 1985: Klein-Philipp ist zwar (noch?) ein Spacko, aber er weiß schon, was der heiße Scheiß ist: Jeden Tag drehen abwechselnd Punk- und (Thrash) Metal-Scheiben unermüdlich ihre Runden auf dem Plattenteller. Heute findet wieder eine Quellung statt, auf der im trauten Kreis im Hause Wolter Platten gehört und Karlsquelldosen genossen werden. Der Runde fällt ein, dass heute die neue KREATOR rauskommen soll. Flugs wird ein Kumpel angerufen, der auf dem Weg doch mal bei Blitz reingucken solle und gefälligst ein paar der begehrten Vinyls mitzubringen habe. Der Coup gelingt, wenig später ertönt das Intro „Choir Of The Damned“. Und danach drehen alle komplett durch, Stagedives von der Heizung und vom Schreibtisch begleiten Kracher wie „Riot Of Violence“, „Pleasure To Kill“ oder „The Pestilence“…

Und heute, 25 Jahre später? Sind KREATOR vielleicht noch wertvoller, thrashen munter weiter und setzen mit „echten“ Produktionen und kritischen Texten Zeichen gegen die Ballermannisierung der Metalszene.

 

 

Also ab zum Thrashfest, wo neben den Kreatoren die weiteren Thrasher SUICIDAL ANGELS, DEATH ANGEL und EXODUS aufwarten.

 

Bereits bei den Griechen ist es voll (an den Türen hängt das „Ausverkauft“-Schild, nicht schlecht für eine trendfreie Musikrichtung) und es gibt amtliche Circle Pits. In der Vergangenheit wurde den SUICIDAL ANGELS oft Eintönigkeit und mangelnde Originalität vorgeworfen. Das stimmt in Teilen auch immer noch – sehr häufig lassen sich Riffs und Gesangslinien finden, die stark an SLAYER oder DARK ANGEL erinnern. Aber der Sound ist überdurchschnittlich gut und es gibt auch ein oder zwei Tracks im Midtempo, sodass die Chose doch den meisten Anwesenden Spaß macht. Zudem ist den mit Patronengurten, Nieten und Metalshirts versehenen Freaks das Fandasein anzusehen – sympathisch.

 

Doch DEATH ANGEL sind natürlich eine ganz Hausnummer. Waren die ersten beiden Platten nach der „Pause“ noch teilweise zu rockig, haben sie mit „Relentless Retribution“ zu alter Songwritingklasse zurückgefunden. Musikalisch heute wohl die variabelste Band mit dem besten Sänger. Mit unfasslich viel Druck und Spielfreude werden alte und neue Songs in die Markthalle gewuchtet. Da bin ich doch sprachlos, als eine Freundin sagt: „Ach, ich stehe mehr auf Metalcore.“ Denn mehr Bewegung auf der Bühne geht wohl kaum, eine gelungenere Verbindung von musikalischer Zerstörungskraft und fesselnden Melodien fällt mir jetzt nicht ein. Mark Osegueda springt vom Drumriser, schwenkt zwischen den Songs eine Pulle mit irgendwelchem Hartgas und singt genauso einschmeichelnd, wie er fies kreischen kann. Die neuen Bandmitglieder passen gut dazu, der Basser erinnert von der Ausstrahlung und Optik ein wenig an Cliff Burton und der Drummer Will Carroll ist eins dieser menschlichen Uhrwerke, die einen nur staunen lassen. Da freut man sich über Classics wie „Mistress Of Pain“, „Seemingly Endless Time“„Voracious  Souls“ oder das mit dem Anfang des Instrumentals „The Ultra-Violence“ eingeleitete „Kill As One“ genauso wie über neuere und neuste Stücke a la „Thrown To The Wolves“, „Claws In So Deep“ (geil!), „Relentless Retribution“ und „I Chose The Sky“. Tatsächlich für mich heute die beste Band, die mein Hirn Glückshormone en masse ausschütten lässt.

EXODUS können dafür den Brutalitätsgrammy holen. Meine Güte, was für ein Geprügel! Rob Dukes wirkt heute weniger Redneck-mäßig als auf den ersten Touren, trägt übrigens ein Dead-Kennedys-Shirt und bewegt sich recht agil… Gary Holt wirkt indes wie weggetreten, obwohl er völlig präzise spielt. Wir werden aufgeklärt, dass der Gute sich eine Rippe gebrochen habe. Na, dann sind es offenbar Schmerzmittel, die ihm so einen entrückten Blick und eine steife Optik bescheren…. Ein  Geballer galore liefert abermals Tom Hunting an den Drums ab, das muss man echt mal gesehen haben.  Bei EXODUS ziehen mich die ganz alten Songs traditionell am stärksten in den Bann, heute gibt es immerhin „A Lesson In Violence“, „Strike Of The Beast“ (yeah), „Bonded By Blood“ und das von einem riesigen Circle Pit begleitete „The Toxic Waltz“. Aber klar, „Blacklist“, „War Is My Shepherd“, „Beyond The Pale“ und  “Deathamphetamine” sind ebenfalls  effektive Rübenschüttler.

 

Hui, KREATOR haben die Bühne aufwändig gestaltet und es geschafft, dass sie so groß aussieht, wie man es in der Markthalle wohl noch nie gesehen hat. Mit Seitenbackdrops, Projektionen auf der Rückwand und so kleinen Rockstar-Treppchen landet man in der Schnittmenge von Kitsch und stilvoller Deko… Stil hat auf jeden Fall das Intro, nämlich das voll ausgespielte „The Man Comes Around“ von Johnny Cash zu eingespielten Fotos aus der Bandkarriere. Und dann donnert „Violent Revolution“ auf die feiernden Thrasher_innen herein. Leider war der Sound bei DEATH ANGEL und EXODUS etwas besser und transparenter. Und Mille ist zwar in Interviews (mittlerweile) ein interessanter Gesprächspartner, aber die ewig gleichen stereotypen Ansagen nerven etwas… „Seid ihr bereit, euch alle gegensetig umzubringen? Ich will ALLE hören, jeden Typ und jedes Mädchen!“… Egal, die Playlist ist grandios und lässt mich immer wieder zum Fleischflummi mutieren. „Hordes Of Chaos“… „Phobia“… „Terrible Certainty“… “Enemy Of God”… “Destroy What Destroys You”… “Endless Pain”… “Pleasure To Kill”… Und so weiter, ich bekomm das jetzt nicht mehr exakt zusammen. Aber der Zugabenblock killt nochmal mit „The Pestilence“, „Flag Of Hate“ und „Tormentor“. Da seh ich doch glatt die Karlsquell-Fontänen wieder vor meinen geistigen Augen, die vor 25 Jahren durch mein Zimmer zischten…

 

Kommentare   

0 #7 Philipp 2010-12-08 13:04
Pics von Jan ML sind drinne! Besten Dank!
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0 #5 Amputee 2010-12-06 18:35
Joar, kein Problem...Ist mir nur aufgefallen...Denn auf den Song habbich den ganzen Abend gewartet, leider vergeblich...
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0 #4 Philipp 2010-12-06 18:27
Kann schon sein, dass "Kill As One" doch nicht bei war - mit den Spongtiteln ist das ja immer so eine Sache. Aber auf jeden Fall wurde das Instrumental angespielt und ging dann in einen anderen Song über.
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0 #3 Amputee 2010-12-06 18:02
die komplette Setlist von Kreator & Co. kann man unter folgendem Link einsehen:

http://www.setlist.fm/setlist/kreator/2010/markthalle-hamburg-germany-3bd29ca4.html

http://www.setlist.fm/setlist/exodus/2010/arena-vienna-austria-1bd29de8.html

(letztere ist wohl identisch mit der Seltlist von gestern...Leider gibt's zu HH noch keinen Eintrag)

http://www.setlist.fm/setlist/death-angel/2010/markthalle-hamburg-germany-7bd29eb8.html

Hier sind aber Abweichungen von Philipps Angaben zu Death Angel..."Kill As One" wurde meiner Meinung nach auch nicht gespielt!!!

Zum Thema:

Exodus hatten ebenfalls einen besch... Sound...Bei ihnen klang irgendwie alles gleich...Der Gesang von Rob war auch besch...abgemischt!!

Death Angel waren für mich ebenfalls der Gewinner des Abends...Großartige Band, die leider immer noch sträflich unterbewertet ist...
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+1 #2 DoctorJoyBoyLove 2010-12-06 14:48
Weiß nicht ganz, wo ich lieber zugegen gewesen wäre - bei dem Konzert oder beim Heizungssatgediven im Wolterschen Jugendzimmer.
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0 #1 Philipp 2010-12-06 14:23
Fotos von Jan ML folgen.
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