K-TOWN WARM UP mit TRAGEDY, SUICIDAS, NEIGHBORHOOD BRATS, HARD CHARGER, KONTATTO, HYSTERESE, NO MORE ART / 19.06.2014 – Hamburg, MS Hedi & Hafenklang

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Da spielen erst zwei großartige Band auf einem wild cruisenden Boot, dann noch mal SECHS hemmungslose Punk- und Crust-Kapellen im Wechsel zwischen Hafenklang und Goldenem Salon und die Veranstalter nennen das „Warm Up“. Untertreibung der Woche.


Wir treffen pünktlich am Ableger ein, schließlich droht man, dass die PUNKROCK LOVE BOAT Cruise DEAD ON TIME um 18.00 Uhr beginne. Stimmt natürlich nicht, aber wir sitzen gemütlich in ‘ner Kneipe an den Landungsbrücken direkt neben der noch angetäuten MS Hedi. Das Ding ist echt mal winzig. Zugelassen sind gerade mal 119 Personen. Und die sind auch ungefähr vor Ort, Hafenklang-Daniel erzählt mir, dass es noch ca. vier Tickets gibt. Und die Bands sowie Equipment und natürlich auseichend Bier sollen ja auch noch raufpassen. Juhu, Leinen los und ab!


Wollt ihr mich 90 Minuten lang Dauergrinsen sehen? Dann stellt mich auf ein Boot, lasst das Ding schippern und dazu noch hervorragende Punkbands spielen! NO MORE ART scheppern sofort los, als die Motoren uns mit verblüffender Geschwindigkeit durch den Hamburger Hafen jagen. Rechtzeitig reißt die Wolkendecke auf und man weiß gar nicht, wohin man gucken soll – einfach aufs Wasser, in die Fresse des pogenden Nachbarn oder doch eher in Richtung Band. NO MORE ART sind mal wieder großartig und dementieren nachhaltig alle Gerüchte ihres frühen Ablebens. Tatsächlich gab es Besetzungswechsel und einfach weniger Live-Aktivität, aufgelöst hatten sie sich aber nie. Milo hört sich nicht, singt aber gewohnt großartig. Ich find ja, dass NO MORE ART eine der besten Hamburger Punkbands der letzten Jahre sind. Totale Hits, die in Hirn und Tanzschuhe gehen. Wir haben angenehm dollen Wellengang, das ganze Boot schaukelt hin und her und einmal kann Milo nur ein „Huch!“ ins Mikro rufen, als sie nach hinten geschleudert wird.


Fliegender Wechsel – es folgen die NEIGHBORHOOD BRATS aus LA. Und die schrauben das Energielevel tatsächlich noch ein paar Windungen nach oben. Die Sängerin geht ab wie ein Flummi. Singen tut sie übrigens auch. Geile Basslinien als Intro sind keine Seltenheit, bevor es in den nächsten Überschallsong geht. Sehr minimalistisch und umso effektiver ist das Songwriting. Da geht sogar bei den beengten Verhältnissen ein Circle Pit! Wir sind mittlerweile richtig weit gecruist, die MS Hedi fährt nicht nur einfach zickzack im Hafen hin und her, da werden richtig Meter gemacht und nebenbei Bonzenvillen, wunderschöne Landschaften oder die Bauruine Elbphilharmonie bestaunt und belächelt. Als Zugabe gibt’s einen der besten Punkrocksongs DER WELT, nämlich „Civilization’s Dying“ von den ZERO BOYS. „From now on every show from us has to be on a boat!“, schreit der Gitarrist begeistert.


Nach der Landung scheint der Boden noch ein wenig weiterzuschwanken. Wir tun alles, um uns diesen Eindruck zu erhalten… Einige Leute werden verabschiedet, neue begrüßt. Nun geht es frisch und zackig oben im Goldenen Salon (die Punkbands) und unten im Hafenklang (Knüppelkruste) ratzfatz im Wechsel zur Sache.


HYSTERESE aus Tübingen leiten den zweiten Teil des Abends ein und begeistern mich vom Fleck weg. Gelesen hatte ich über die ja schon viel, aber irgendwie noch nie live gesehen. Die fetzen gut nach vorne, sind dabei hochmelodisch und voller Energie. Was ich ja generell mag, ist Wechselgesang von zwei unterschiedlichen Stimmen. Genau das zelebrieren HYSTERESE mit weiblicher und männlicher Stimme. Die Songs rumpeln dabei angenehm kurz und knackig, die Gitarre hat so einen noisig-garagigen Klang. Insgesamt sehr eigenständig. Knaller!


Juhu, und nu endlich mal KONTATTO. Die italienischen Krusten nehmen keine Gefangenen. Auch hier gibt’s Doppelgesang, aber natürlich mit null Melodien, hehe. Die „Disillusione“-LP hab ich ja rauf und runter gehört, deshalb kann ich so tun, als könnte ich auswendig mitbölken. Die Schlagzeugerin Marziona kloppt breit grinsend auf ihr Set ein, so macht das Spaß. Insgesamt schön rauh und heavy, meine Erwartungen werden jedenfalls erfüllt.


Kurz hochgestolpert, sieht man dort gleich zum zweiten Mal die NEIGHBORHOOD BRATS. Und ich muss sagen: Die Bootstour war zwar der Hammer, aber jetzt entfaltet die Band erst so richtig ihre Wirkung. Liegt vielleicht auch daran, dass der Mob jetzt so richtig in Wallung und heiß auf Action ist. Irgendwie kommen mir die Auftritte im Goldenen Salon auch etwas angenehmer von den Sicht- und Soundverhältnissen vor. Jedenfalls scheint die Band motiviert bis in die Haarspitzen zu sein. Jenny Angelillo dürfte von so manchem Fotografen verflucht werden, denn die steht wirklich keinen Moment still. LP wird abgeerntet und verheerenderweise findet im hinteren Bereich ‘ne richtige kleine Plattenbörse statt.


Hui, HARD CHARGER sind ein Trio, machen aber Lärm für zehn. Ich bin sehr gespannt auf die Crust’n’Roller aus Kanada, sollen wir doch wenige Tage später in Flensburg mit ihnen zocken. Und was soll ich sagen: Heute will sich einfach keine Langeweile einstellen, da haben die Veranstalter ein geschmackvolles Programm zusammengestellt. Beeindruckend find ich nicht nur das druckvolle Spiel des Drummers, sondern dass er dazu auch noch singt! Und was ist das bitte für ein TIER am Bass? Natürlich bölkt der auch ins Mikro, was in Verbindung mit dem Sludge/Crust/Metal-Gewitter einfach MASSIV rüberkommt. Was ich an der Band sofort mag, ist die Angepisstheit, mit der sie ihre Stücke herausrotzt. Und sie klingen richtig dreckig und nicht so langweilig clean wie viele andere Bands. Supertypen übrigens, wie sich am Sonntag in Flensburg herausstellen soll.


Aus Wien und Barcelona kommen SUICIDAS. Das Schöne ist heute, dass es einfach nie langweilig wird. Nach der Attacke von HARD CHARGER gibt es jetzt wieder liebliche Melodien in die Ohrmuscheln. Wie bei HYSTERESSE im weiblich/männlichen Wechselgesang, den sich Gitarristin Caro und Bassist Tete teilen. Das Trio hat es drauf, sehr eingängige Songs zu schreiben. Jemand flüstert mir was von DESCENDENTS und HÜSKER DÜ in die Ohren. Kein schlechter Vergleich! Aber ich muss dennoch zugeben, dass sich in meinem Hirn langsam alles auf TRAGEDY einstellt, ich immer fickeriger werde und mich kaum noch auf was Anderes konzentrieren kann.


Nicht viel später ist es endlich soweit: TRAGEDY! Irgendwie habe ich diese Band noch nie live sehen können, obwohl ich sie seit Ewigkeiten liebe. Können die überhaupt so krass wie auf Platte sein und diese dunklen Melodien kombiniert mit dieser unfasslichen Wucht live bringen? Sie können. Und wie. Der Mob im Innenbereich dreht vollständig am Rad und man sieht von etwas weiter hinten nur fliegende Gliedmaßen durch die Luft wirbeln, bevor man sich selbst in den Pit stürzt und willenlos von der sonischen Klatsche verprügeln lässt. Ei ei ei – es sind so einige Knaller in der Playlist. Nagelt mich nicht darauf fest, aber ich meine mich an „The Day After“ (Boah, diese melodische Gniedelgitarre am Ende mit den fiesen Grunzshouts drüber!), „Not Fucking Fodder“, „The Hunger“, „Beginning Of The End“, „Call To Arms“ und „Vengeance“ erinnern zu können. Wahnsinn, wie voluminös und druckvoll der Sound ist. Herrlich find ich es ja, wie unterschiedlich die Stimmen von Todd Burdette (g) und Billy Davis (b) klingen – während ersterer die typisch tiefen Crust-Grunzer raushaut, schimpft letzterer mit hoher Stimme so richtig wütend Old School Hardcore-like. Den ganzen Auftritt über hast du dieses treibende Gefühl, stets peitschen die Drums unaufhörlich nach vorne. Ich kann mich wiederholt ‘ner Gänsehaut nicht erwehren.


Langer Abend, kurze Nacht. Aber das macht GAR NICHTS! Ich möchte das Ganze am liebsten gleich noch mal erleben.



Kommentare   

+1 #7 HeavyHerb 2014-07-11 09:23
Völlig vergessen: Teile des Publikums bei TRAGEDY gingen gar nicht, blöd rumposende Macker (teilweise mehr mit dem Rücken zur Bühne als andersrum), die sich selbst für die Geilsten hielten, dabei aber nur peinliche Volltrottel waren.
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+2 #6 Philipp 2014-07-10 11:06
Bester Kommentar: "Szene des Abends: Ein Typ verliert bei Tragedy seinen Schuh im Pogomob, findet ihn nicht auf Anhieb wieder und wirft seinen zweiten Schlappen auch einfach weg." (von Toffi auf Facebook, den musste ich hier noch ergänzen!)
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+1 #5 Philipp 2014-07-09 10:19
Cool, interessante Ergänzungen, sowas find ich immer gut. Hab ich vielleicht in der Reihenfolge SUICIDAS und NEIGHBORHOD BRATS durcheinandergebracht? Waren echt etwas viele Bands, ohne Rückfahrplatz wär das haarig geworden - insofern hier nochmals Danke für die Vermittlung!
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+3 #4 HeavyHerb 2014-07-09 08:39
HARD CHARGER: in diesem Mötorheadkrustensumpf tatsächlich die erste gute Band, live aufgrund fehlender zweiter Gitarre und nichtexistentem Bass zwar gut, aber teilweise viel zu drucklos, vor allem bei den Soli.

NEIGHBORHOOD BRATS: einfach klasse, richtig guter Punkrock.

TRAGEDY: auch wenn der Knödelgesang nicht bei allen Anwesenden auf Gegenliebe stieß, ein richtig geiler Auftritt. Tragedy könnens halt, selbst die Songs des doch enttäuschenden neuen Albums klangen live gut.

FAZIT: geiles Konzert, bei der Taktung hätten aber auch vier bzw. fünf Bands gereicht.
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+3 #3 HeavyHerb 2014-07-09 08:39
Hmm, wollte eigentlich ergänzend noch was dazu schreiben,aber dieser verdammte Zeitmnangel, deshalb nur kurz
HYSTERESE: war gut, schöner Auftakt, Langzeitwirkung allerdings gleich null (kann aber auch am streng durchgetakteten Abend gelegen haben)

KONTATTO: heimlicher Gewinner, fettes Metalkrustenbrett von sympathischen Punks

SUICIDAS: haben definitiv nach Kontatto gespielt (keine Ahnung, warum Herr Wolter das durcheinander gehauen hat), waren aber stinklangweilig. Der ewig gleiche Midtempopunksong lieblos runter geschrubbt.
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0 #2 Philipp 2014-07-07 10:22
Nachgeprüft, in der Tat für richtig befunden und korrigiert. Danke!
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0 #1 Ecki 2014-07-07 06:52
Heißen Hysteresse nicht Hysterese?
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