WILWARIN 2019 / 07.06.2019 - Ellerdorf, am Arsch der Heide, Tag 1

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Philipp: Dieses Jahr haben wir etwas Pech und können aufgrund eines kurzfristig abgesprungenen Hundesitters nicht auffem Wilwarin zelten. Zwischendurch überlegen wir sogar, stattdessen das reichhaltige Indoor-Konzertprogramm des Wochenendes zu nutzen (Freitag: VISIGOTH in Hamburg, Samstag: AXEL RUDI PELL/PRAYING MANTIS und DEATH ANGEL/EVIL INVADERS parallel in Kiel!), entscheiden uns dann aber fürs Zwischenfahren. Das hab ich beim Wilwarin noch nie gemacht und ich bin im Vorfeld skeptisch, ob man ohne den Campingirrsinn überhaupt ausreichend Wilwarinflair schnuppern kann. Lohnt sich die Scheiße so überhaupt? Zumal wir die Hundedame ja auch nicht zu lange allein lassen wollen und uns nur ein streng limitiertes Zeitfenster bleibt. Die ersten Bands auf der Skate Stage verpassen wir so natürlich, ziehen uns dann aber in den Abendstunden so viel wie möglich rein.

 

Bericht von JoyBoy und Philipp, Fotos von Jan ML folgen.

                                                                        

KNUD KEMPAUSKI

JoyBoy: Meine Arbeit beginnt direkt mit den Eröffnern von KNUD KEMPAUSKI, die sich orginellerweise einen Slot teilen. Im Direktvergleich bekommen KNUD VOSS in Betragen eine 2+ (hier muss ja noch etwas Luft nach oben bleiben) und HOTEL KEMPAUSKI, die zunächst ohne Drummer zum Check erscheinen und sich in der Folge von ihren Smartphones ablenken lassen eine pädagogische 4- (der Sänger der Band nimmt sich Kritik immer sehr zu Herzen, da möchte ich lieber nicht weiter draufhauen, auch wenn es vielleicht nötig wäre). Die in Drei-Song-Schichten absolvierten Auftritte sind dann durchweg gut bis hin zu regelrecht schnafte außerdem haben die Bands sehr hübsche Namensschilder gebastelt.

 

STATUES ON FIRE

JoyBoy: Die Zeit bis STATUES ON FIRE wurde dann mit einem Nickerchen überbrückt. Nötig, da ich vorsorglich über die Woche ein sattes Schlafdefizit aufgebaut hatte. SOF sind das Aufwachen dann aber definitiv wert. Gut, dass ich mich nicht von der aktuellen Platte habe täuschen lassen, die bei mir eher so unter „geht“ rangiert. Grade bei Bands auf so einem wirklich herausragenden spielerischen Level kann ich mich ja überhaupt nicht damit anfreunden, wenn im Studio so viel (weg)poliert wird. Aber gut, empfinden einige Leute auch ganz anders. Live begeistert mich die Band jedenfalls auch diesmal menschlich wie musikalisch. Grundsätzlich gutes Songmaterial, viele eingängige Harmonien und eine Begeisterung und Positivität, die fast zwangsläufig überspringt. Dass Bands wie SOF zudem politisch angesichts der Lage (nicht nur) in ihrem Herkunftsland Brasilien wichtiger denn je sind, versteht sich von selbst.

Philipp: Da kann ich mich in allen Punkten nur anschließen! STATUES ON FIRE sind ein perfekter Einstieg ins Festival. Es ist witzig: Meine eingangs geäußerte Befürchtung, das Wilwarin wegen der Zwischenfahrerei nicht richtig genießen zu können, bestätigt sich nicht. Man ist eigentlich sofort drin im speziellen Flair des Festivals und vergisst sofort, dass man noch gar keine zehn Bier im Schädel hat. Für das betüdelte Grundgefühl sorgen die Riffabfahrten von André Alves und Regis Ferri, wobei unklar bleibt, wie ersterer es schafft, dabei auch noch zu singen. Die Brasilianer bewegen sich wie gewohnt perfekt zwischen Melodic Hardcore und Thrash, kotzen sich dazu noch über die politische Situation Brasiliens aus. Was mir das Konzert noch versüßt, ist der erste Einsatz meiner neuen Hörschutzdingsies, die ich mir in ‘nem Hörgeräteakustikladen hab anfertigen lassen. Ich kann dat echt nur empfehlen, denn der Sound ist deutlich besser als bei den Dingern von der Apotheke, die man sich sonst so in die Lauscher steckt!

 

DEATH BY UNGA BUNGA

Philipp: Diese Band wurde mir als Power-Pop-Punk beschrieben, doch ich höre vor allem Classic Rock heraus. Vielleicht lassen sich einige von der etwas studentischen Optik täuschen, aber die Norweger rocken hemmungslos im Stil von THIN LIZZY, CHEAP TRICK oder THE WHO. Sänger Olsen wandert gleich während des ersten Songs durch den Mob und schiebt überraschte Gaffer unbekümmert zur Seite. Bei anderen Stücken zockt er die dritte Gitarre. Das Ganze hat viel Dampf und bleibt durch eingängige Melodien hängen. Absoluter Höhepunkt des Auftritts ist der Moment, als alle Gitarristen hinterm Kopf zockend das Solo von „The Boys Are Back In Town“ spielen, was auf doppelte Länge gestreckt wird und den Second Ground ausrasten lässt. Überraschung!

 

INDIAN NIGHTMARE

Philipp: Aaaah, den Höhepunkt des gesamten Festivals stellen dieses Jahr für mich INDIAN NIGHTMARE dar! Hier stimmt einfach alles. Es gelingt den fünf Speed Metal Punks, eine abartig dichte Atmosphäre zu kreieren. Die Drums peitschen unnachgiebig nach vorne, wirklich JEDES Riff zündet und dazu kreischt Poison Snake in bester AGENT-STEEL-Manier jeden Zentimeter Haut zur Gänsepelle. Und wie geil die Hunde aussehen! Die Klamotten und die Fressenbemalung haben was von Mad Max meets D.I.Y.-Krustenasi meets Heavy-Metal-Voodoopriester. Wenn INDIAN NIGHTMARE mal vom Gas gehen, kommen die Midtempoparts einfach nur ultraheavy. „Incursions Of Death“, „War-Metal-Punx“ oder „Bastions Of Nightmares“ knallen direkt in mein Gehirn, sodass ich den gesamten Auftritt über dümmlich grinsend und mit Schaum vorm Mund headbange. Das Debut „Taking Back The Land“ war schon super, „By Ancient Force“ empfinde ich gar als noch zwingender. Freue mich schon jetzt auf den MELTDOWN-Auftritt. Einziger Abfukker: Fast zeitgleich spielen unten NIGHT FEVER…

 

NIGHT FEVER

JoyBoy: Für den erwarteten Höhepunkt NIGHT FEVER bringe ich mich dann mit hochprozentigem Einsatz in Feierform. Momentan würde mir weltweit keine zweite Band einfallen, die in der Lage wäre, bei mir solche Energien freizusetzen wie die Kopenhagener mit ihrer angenehm unerwachsenen Art von Hardcore. Im Gegensatz zum letzten Konzert auf dem Wilwarin, das zudem etwas unter technischen Aussetzern litt, findet dieses nicht am frühen Abend und nicht auf der Skateramp-Stage, sondern um 23 Uhr auf dem Second Ground statt – perfekte Bedingungen für ein freudiges Gemetzel, sehr gute Entscheidung! Gleich zu Beginn gibt es einen neuen Song zu hören, der vom Kanal „Shitty Videos Galore“ (geschmacklich mit das Beste, was Youtube derzeit zu bieten hat) eingefangen wird. Ab da gibt es kein Halten mehr. Abfahrt, Vollgas, take it to the max, ouuuuu yeah undnochmalundsoweiter. Ich tue mein Bestes, um möglichst nur mir selber weh zu tun, was ganz gut gelingt. Ein-zwei Mal krieg ich wohl auch was an den Kopp, so dass ich betrunken, glücklich, benommen und erschöpft Richtung Camp taumeln kann, nachdem alles nach gefühlt 21,3 Minuten vorbei ist.

Philipp: Wir flitzen nach dem letzten INDIAN-NIGHTMARE-Ton so schnell wie möglich runter zur Second-Ground-Hütte und quetschen uns durch den bereits dampfenden Mob. Immerhin bekommen wir noch ein paar Stücke mit. NIGHTFEVER sind in Bestform, die Band scheint geradezu zu pulsieren. Ich liebe ja vor allem Salomons Stimme, die kommt so herrlich dreckig und gleichzeitig melodisch-rotzig. Der Kerl überzeugt im ZERO-BOYS-Shirt und seinen Lederhandschuhen aber auch wieder mal in Sachen Style. Der Mob dreht dazu vollständig durch – die Diver wieseln auf die Bühne und fliegen von links und rechts durch die Botanik. Es war zwar nur ein kurzes Vergnügen, aber ich kaufe mir danach glatt eine Kassette mit der gesamten bisherigen Discographie, obwohl ich den Kram eh schon auf Vinyl habe.

 

NO FUN AT ALL

Philipp: Hm, irgendwie wirken NO FUN AT ALL auf mich heute etwas hüftsteif. So richtig will der Funke jedenfalls nicht überspringen und ich trolle mich wieder vom Ort des Geschehens.

 

BRUTUS

Philipp: Die letzte Station sind für uns heute BRUTUS, welche mit ihrem aktuellen Album „Nest“ bei mir in den letzten Wochen auf Dauerrotation liefen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man das belgische Trio nicht mehr lange auf kleineren Bühnen sehen können wird. Black Metal Elemente treffen auf verträumte Shoegaze-Melodien und Hardcore/Punk-Attitüde, wobei BRUTUS ähnlich wie MANTAR auch für weniger metalaffine Menschen nachvollziehbar klingen könnten, da sie sehr rhythmisch und tanzbar vorgehen. Also, zumindest wenn man den Begriff „Tanzen“ weiter dehnt. Auch bei BRUTUS entsteht ein typisches Second-Ground-Gewühle, sodass man später in einer regelrechten Staub- und Dreckhülle steckt. Im Mittelpunkt steht/sitzt Schlagzeugerin und Sängerin Stefanie Mannaerts, was ich an sich schon super finde, erinnert es mich doch an meine große Liebe EXCITER. Stefanie Mannaerts kreischt zwar nicht wie Dan Beehler, aber mir gefällt die Dynamik in ihrer Stimme. Und ich will es eigentlich nicht schreiben, aber ja, verdammt, manchmal klingt sie schon wie die CRANBERRIES-Kollegin. Die Erwartungen waren hoch, werden aber erfüllt, zumal die Stimmung schön intensiv ist. Übrigens geht verwirrenderweise kurz vor dem BRUTUS-Auftritt die Nachricht vom Tod Jokke Stenbys herum, dem Sänger der norwegischen BRUTUS-Namensvetter, R.I.P.   

 

 

JoyBoy: Dunkel erinnere ich mich noch, dass der Zelteingang bereits durch starke Regenschauer geflutet ist und die Statik des Zeltes von den teils doch recht wilden Böen auch schon einiges abbekommen hat, als ich dort ankomme. Irgendwo weiter hinten im Schlafsack finde ich aber noch ein einigermaßen trockenes Plätzchen, in das ich mich verkrieche, um dann binnen Minuten in einen komatösen Tiefschlaf zu versinken. Später in der Nacht wecken mich die Lichtkegel zweier Sanitäter*innen, die dankenswerterweise nachschauen, ob in dem zerknüllten Wassersack von Zelt doch noch irgendwer liegt. Normalerweise habe ich einen relativ leichten Schlaf, aber in dieser Nacht brauchte es wohl mehr als die ungebremsten Einwirkungen eines Wolkenbruchs mit sturmböenbedingten Zelteinsturz, um mich vorm Verpennen meiner eigenen Unterkühlung abzuhalten. Nun fröstelt es mich gar sehr, aber glücklicherweise nimmt der zufällig vorbeikommende Startenor von Hotel Kempauski die Gelegenheit wahr, seine Note in Betragen auf eine glatte 3 aufzubessern, indem er mich in ein trockenes Zelt verfrachtet. Nochmal Glück gehabt. Morgens bekomme ich dann auch noch einen Schlafsack ausgeliehen und nächtige weiter bis Mittags. Dann ist eigentlich alles wieder gut.

 

TAG 2 folgt ASAP!

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