WACKEN OPEN AIR XXX / 03.08.2019 – Wacken, Tag 4

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Philipp: Manuel Trummer (ATLANTEAN KODEX), den ich  - neben seiner Musik – auch für seine Texte sehr schätze, hat für Deutschlandfunk Kultur einen Artikel über die Verbürgerlichung des Heavy Metal geschrieben, in welchem er zu dem Schluss kommt, dass Megafestivals wie Wacken den Besucher*innen bestenfalls die Möglichkeit zum Eskapismus böten: „Drei Tage steht die Welt auf dem Kopf, es gelten andere Regeln, man hat die Freiheit, Dinge zu tun, die während des restliches Jahres nicht erlaubt sind, es ist egal, ob man Investmentbanker oder Schüler ist usw. Das erfüllt in unserer Kontrollgesellschaft, in der wir täglich unter dem Druck stehen, bestimmte Erwartungen und Rollen bedienen zu müssen, eine wichtige Ventilfunktion. Man kann Dampf ablassen. Insofern stabilisieren Festivals auch das bestehende System und die dahinterliegendem neoliberalen Logiken. Herausfordernde Kunst, ungewöhnliche und radikale Musik, innovative Akteure, die den Status quo in Frage stellen, finden sich deswegen meist woanders.“ (Interview im ROCK HARD 389, S. 29). Dieser Analyse lässt sich angesichts von Bundeswehr-Werbeständen und Kaufland-Supermarkt kaum widersprechen.  Bleibt die Frage, wo „herausfordernde Kunst“ überhaupt noch stattfindet. Eins steht fest: Für mich bietet Wacken jedes Jahr qualitativ überdurchschnittliche Konzerte, aber wirklich innovativ ist das Festival im Bookingbereich seit Jahren nicht mehr. Die „Trends“ des Undergrounds, wenn ich das mal so nennen darf, werden eher spät erkannt und aufgegriffen. Positive Ausnahmen gab es auch in den letzten Jahren vereinzelt, aber z.B. nach Vertretern der NWOTHM sucht man dieses Jahr vergeblich. Aber so freue ich mich heute auf Bewährtes wie KVELERTAK, URIAH HEEP, SAXON, VINTAGE CARAVAN und DIAMOND HEAD.

 

KVELERTAK

Bericht von Strecker, Matt und Philipp Wolter, Fotos von Toni B. Gunner (https://mondkringel-photography.de/) und Michael Strecker.

 

Strecker: Der Telefonempfang ist in Wacken nicht unbedingt der Beste und es ist eher ein Zufall, wenn eine SMS rechtzeitig ankommt. Heute hat es geklappt und im Halbschlaf habe ich die Fragen lesen können „Kommst du mit zu Die Kassierer“. Die Kassierer spielten auch wieder um 12 Uhr, so dass ich die Frage mit nein beantworten musste. Obwohl Sänger Wölfie die Hose anbehalten hat und den Text zu „das schlimmste ist wenn das Bier alle ist“ abgelesen hat, soll das Konzert gut, aber zu früh  gewesen sein. Band und Publikum waren noch zu nüchtern. 

 

KVELERTAK

 

KVELERTAK

 

Philipp: Die Nachricht von Erlends Ausstieg hat mich im letzten Jahr überrascht, umso gespannter bin ich nun auf Nachfolger Ivar Nikolaisen. Etwaige Befürchtungen können nach Minuten über Bord geworfen werden: Der Neue macht seine Sache super, es ist halt vom Typ her ein ganz anderer Frontmann. Erlend war ein Black Metal Asi, Ivar ist eine fiese dürre Punk-Ratte. Stimmlich passt er gut dazu, was natürlich Geschmackssache ist. Aber KVELERTAK auf den Sänger zu reduzieren, wäre ja eh Quatsch. Es bestätigt sich heute wieder, dass die Songs und deren Präsentation auf jeder Bühne der Welt funktionieren. Die Rahmenbedingungen sind dazu hervorragend, denn die Sonne strahlt vom Himmel, der Sound ist differenziert und wuchtig und vor der Louder Stage hat sich eine riesige Meute versammelt. Immer wieder faszinierend, wie es KVELERTAK gelingt, die Intensität zu steigern, bis am Ende alle durchdrehen, die einzelnen Musiker sich dem Crowdsurfing hingeben und das reine Chaos zu herrschen scheint. Aber Achtung: Musikalisch wissen die Norweger natürlich ganz genau, was sie tun. Welcher anderen Drei-Gitarren-Combo gelingt es schon, die Gitarrenarbeit so genial und effektiv aufzuteilen? Vidar Landa, Bjarte Lund Rolland und Maciek Ofstad (wer nun wer ist, hab ich noch nie gecheckt, aber der „Banker“ spielt immer ausschließlich mit den Fingern) riffen, solieren und lärmen, bis alle Pommesgabeln oben sind. Ivar schmeißt sich auf den Boden, stranguliert sich mit dem Mikrokabel, springt den Leuten auf die Köpfe und schmettert angemessen aggressiv (und mit dem nötigen Quäntchen Melodie). Herrliches Abschlussbild: Einem der crowdsurfenden Gitarristen wird ein großer Maßkrug Bier gereicht, den sich dieser in der Horizontale genehmigt.

 

KVELERTAKKVELERTAK

 

Strecker: Mein Konzerttag begann mit Kvelertak, die ich noch nicht mit dem neuen Sänger Ivar Nikolaisen  gesehen hatte. Der punkige Rock `n´ Metal war genau richtig, um wach zu werden und durstig zu machen. Ivar Nikolaisen passt stimmlich und von seiner Ausstrahlung hervorragend zu der Band und wird vom Publikum akzeptiert. Zu der Akzeptanz trugen mit Sicherheit auch einige seiner Ausflüge ins Publikum bei. Überhaupt ist die Grenze zwischen Publikum und Band fließend, da alle Musiker gerne mal einen Ausflug in die Menge machen und dort weiter spielen. Wie gesagt, das Konzert hat Spaß und wach gemacht.

 

KVELERTAK 

 

RECKLESS LOVE

Matt: Der Samstag lässt sich langsam an, bis man dann mal so in die Hufe kommt, Frühstück will noch eingenommen werde, gesabbelt usw. So schaffe ich es leider nicht, jemanden zu KVELERTAK zu motivieren, und es geht dann erst zur späten Mittagsstunde auf den weiten Weg zum Festivalgelände. Dort erwarten uns die letzten Töne von RECKLESS LOVE. Ich traue meinen primären Sinnesorganen kaum - relativ junge Musiker, die richtig fiesen 80er Jahre Los Angeles Glam / Hair Metal machen. Schön mit blonder Wallermähne – und natürlich bloßem, gestählten Oberkörper und entsprechender „ich bin so geil, ich finde dich geil, lass uns …“ Lyrik . Ich bleibe gebannt vor dem unglaublichen Geschehen stehen, welches die Faszination eines Autounfalls aufweist. Gruselig. Zum Glück ist es schnell vorbei und wir freuen uns auf VINTAGE CARAVAN, die in eine ganz andere Richtung weisen. 

 

THE VINTAGE CARAVAN

Philipp: Recht spontan führt mich der Weg zu THE VINTAGE CARAVAN, die bereits ein sehr gut gefülltes Zelt (W.E.T. Stage) rocken, als ich etwas zu spät eintrudele. Hier vereinigen sich rein zufällig verschiedene Teile der DreMu-Crew. Gemeinsam lassen wir die Haare zum Classic Rock des isländischen Trios fliegen. Oskar und Alexander wirbeln wie gewohnt über die Bühne und stecken die Besucher*innen mit ihrem Enthusiasmus an. Mein persönlicher Fave bleibt „Midnight Meditations“, aber kein einziger Moment dieses Auftritts ist langweilig. Diese Typen sind echt „born to rock“ und könnten es noch weit bringen. Ein weiteres“ Indiz dafür ist die kommende Supporttour für OPETH.

Strecker: Im Bulleheadzelt konnten wir noch einen kurzen Blick auf The Vintage Caravan werfen, die sich spielfreudig wie immer präsentierten und die ansehnliche Menge Menschen im Zelt von sich überzeugen konnte. Es war nur ein kurzer Blick auf den Schluss des Konzerts möglich und ich kann daher nichts weiter dazu schreiben. Zumal ich auch Dremu-Erfinder Matt getroffen habe und das Konzert nur nebenbei verfolgt habe.

Matt: VINTAGE CARAVAN sehen aus wie spackige Jungspunde. Das Outfit deutet aber schon in Richtung der Siebziger und die Mucke steht dem in nichts nach. Grooviger, bombastischer Stoner/ 70er Rock, sympathisch und kraftvoll rübergetragen. Der Gesang ist fett und trägt die Musik weit, während vor allem der Sänger ordentlich Gas gibt und alle mitreißt. Großer Auftritt, der auch alle in der spontan vereinigten DreMu-Crew begeistert.

 

TESSERACT

Matt: Einmal im Zelt rübergerutscht auf die andere Seite, und schon geht es weiter mit TESSERACT. Die Briten bieten so in etwa das, was ich mir immer unter Mathcore vorstelle: Vertrackte Songs mit komplexesten Strukturen, dazu Stakkato Gesang und Riffs, sich mit melodiösen Parts abwechselnd. Interessant anzuschauen, allerdings nicht wirklich mitreißend und auf Dauer auch anstrengend. Den Menschen im gut gefüllten Zelt gefällt’s und wir bleiben auch bis zum Schluss allerdings auch teilweise schnackend und biertrinkend. 

 

URIAH HEEP

 

URIAH HEEPURIAH HEEP

 

Philipp: Ob die Wacken-Orga die Popularität von URIAH HEEP unterschätzt hat? Die Kapazität des Louder Stage Areals reicht jedenfalls nicht für den Andrang aus und so wird der Zugang bald dichtgemacht. 40 Millionen verkaufter Tonträger und eine jahrzehntelange Präsenz zeigen eben doch Wirkung, auch wenn scheinbar (!) hippere Gruppen die Medien dominieren. Ich selbst kann es kaum fassen, dass ich URIAH HEEP erst einmal gesehen habe – und zwar erst letztes Jahr mit JUDAS PRIEST in Dortmund. Spätestens heute beschließe ich, dass ich keine HEEP-Tour und Gelegenheit mehr auslassen werde, der der Auftritt gehört zu den absoluten Höhepunkten des Festivals. Schwer wummert die Orgel, very ‘eavy very ‘umble fönen die Gitarren. Bernie Shaw wirkt fit und gut gelaunt, schmettert Klassiker wie „Rainbow Demon“, „Gypsy“, „Look At Yourself“, „July Morning“, eine coole Akustik-Version der „Lady“ oder „Easy Livin‘“ mit Power und Gefühl. Nebenbei kündigt er einen Song von der 25. Platte an. 25 Alben in 50 Jahren, was für eine monumentale Bilanz! Ich besitze davon nur ca. die Hälfte, aber der Rest wird auch noch abgeerntet. Auch bei URIAH HEEP steht und tanzt übrigens Gebärdensprachdolmetscherin Laura M. Schwengber auf der Bühne. URIAH HEEP? Ein purer Genuss!

 

URIAH HEEPURIAH HEEP

 

Strecker: Prophets of rage hätte ich gerne gesehen, aber die Propheten spielten zeitgleich mit Uriah Heep und da gingen Uriah Heep vor. Mir ist es völlig unverständlich, dass Uriah Heep erst nach 30 Jahren zum ersten Mal in Wacken spielen. Der Band wohl auch. In den Ansagen gab es einige Kommentare in diese Richtung. In der Setlist reihte sich Hit an Hit und selbst „Lady in black“ war gut und wurde nicht durch nervige Mitsingspiele unnötig in die Länge gezogen. Mir haben trotzdem die rockigeren Songs wie „Easy Livin`“ besser gefallen. Großartiges Konzert und von meiner Seite aus dürfen Uriah Heep auch beim 31igsten Wacken wieder spielen und nicht erst in 30 Jahren wieder.

 

URIAH HEEPURIAH HEEP 

 

PROPHETS OF RAGE

 

POR 

 

Matt: Die Zeltnachbarn gaben Doc Doom beim nächtlichen Vesper einen Tipp, ohne den wir die PROPHETS OF RAGE vermutlich verpasst hätten. Handelt es sich doch um eine Supergroup aus der kompletten RAGE AGAINST THE MACHINE Instrumentalfraktion, ergänzt um die Sänger B-Real (CYPRESS HILL) und Chuck D. sowie DJ Lord von PUBLIC ENEMY. Davon hatte ich bislang gar nichts mitbekommen. RATM sind natürlich Kult, das Nachfolgeprojekt mit dem von mir sehr geschätzten Chris Cornell (SOUNDGARDEN) am Gesang fand ich immer eher merkwürdig und unpassend, aber in dieser neuen Kombination ist das eine runde Sache.

Die Sonne lacht und die PROPHETS OF RAGE erweisen sich als exzellente Festivalband, die Laune machen und die Beine und die Kehle herausfordern. Das Set besteht aus einer bunten Mischung aus Songs der PROPHETS OF RAGE-LP („Unfuck the World“), CYPRESS HILL („How I could just kill an Man“), PUBLIC ENEMY („Prophets of Rage“) und natürlich ganz viel RAGE AGAINST THE MACHINE („Bullet in the Head“, „Know your Enemy“ und – na klar – „Killing in the Name of“). Es macht viel Spaß den beiden Sängern zuzuhören und insbesondere das sehr unverkennbare Gitarrenspiel von Tom Morello zu verfolgen. Genialer Gig und für mich erster Anwärter auf den „Unexpected Highlight Award“, den ich hiermit mal spontan einführe.

 

DIAMOND HEAD

Philipp: Gelingt DIAMOND HEAD gerade ein Coup wie SATAN oder mit Abstrichen ANGEL WITCH? Die Karriere der Band lässt sich meines Erachtens in vier Kapitel einteilen: 1. die geniale Frühphase mit den Alben „Lightning To The Nations“ (1980), „Borrowed Time“ (1982) sowie „Canterbury“ (1983), auf die eigentlich eine Weltkarriere hätte folgen müssen, die dann aber METALLICA abgesahnt haben, 2. die Auferstehung mit „Death And Progress“ (1993), protegiert von Dave Mustaine, 3. die etwas orientierungslose Nuller Phase mit zwei Alben 2005 und 2007, die ich nicht mal kenne, und 4. die sensationelle Rückkehr zur alten Qualität mit Rasmus Bom Andersen am Gesang und den beiden Killer-Alben „Diamond Head“ (2016) und „The Coffin Train“ (2019). Mit diesem Sänger hat Brian Tatler das goldene Los gezogen; wie bereits auf dem 2018er HELL OVER HAMMABURG präsentiert sich Andersen (völlig zu Recht) sehr selbstbewusst und liefert eine astreine Performance. Er kann halt wirklich wie Sean Harris oder Robert Plant singen. Erfreulich dabei: Der Auftritt wird mitnichten lediglich von einigen wenigen DieHards abgefeiert, vielmehr ist das Zelt sehr gut gefüllt und die Meute geht steil. Neben den ganz großen Hits „Helpless“, „It’s Electric“, „In The Heat Of The Night“ und „Am I Evil“ überzeugen – und da ziehe ich eben den Vergleich zu SATAN – auch die neuen Stücke, zum Beispiel „Death By Design“, „Belly Of The Beast“ oder „Bones“. Definitiv stärker als der 2003er Auftritt von DIAMOND HEAD in Wacken. Am 12.11. mit den BLACK STAR RIDERS in Hamburg!

Strecker: Zurück im Bullheadzelt guckten wir uns Diamond Head an. Anfangs wirkte die Band etwas nervös. Dies gab sich aber schnell und es wurde ein gelungenes Konzert und ich stellte mir die Frage, warum die Band nie wirklich bekannt geworden ist. Zum Abschluss des Konzerts gab es dann natürlich noch „Am I evil“. Der Song wurde ordentlich gefeiert. Viele Besucher waren hier bestimmt auch der Meinung, dass Diamond Head Metallica covern und nicht anders herum.

Matt: It’s Kultzeit. Mit DIAMOND HEAD ist nun eine der Flaggschiff-Bands des NWOBHM angesagt. Vermutlich kennen viele die DIAMOND HEAD-Songs vor allem durch die Coverversionen von METALLICA. „Am I Evil“ ist da an allererster Stelle zu nennen, aber es gibt noch weitere, die auch heute präsentiert werden („Helpless“, „It‘s electric“). DIAMOND HEAD gehören dabei zu den von Philipp erwähnten Bands, die älter als das Wacken Open Air sind – in diesem Jahr sage und schreibe 43 (!!!) Jahre. Wer nun eine lahme Alte-Männer-Show erwartet, wird schnell eines Besseren belehrt, denn DIAMOND HEAD lassen die Menge tanzen mit jeder Menge Power und Spielfreude. Allerdings ist auch jede Menge frisches Blut an Bord, denn mit Brian Tatler ist nur noch ein Mitglied der Urbesetzung dabei. Der sieht allerdings auch besorgniserregend dünn aus, in etwa so wie Keith Richards mit Bulimie. Die Show konzentriert sich aber ohnehin eher auf den dänischen Sänger Rasmus Bom Andersen. Der animiert und shoutet kraftvoll, mir ist es allerdings stellenweise etwas zu „truemetallig“. Aber ohne Frage – tolle Band, tolle Songs toller Abend.

 

SAXON

Philipp: Einen schöneren Abschluss als mit SAXON könnte ich mir gerade nicht vorstellen. Um 00:00 Uhr am Samstag leert sich das Hauptgelände sonst ja häufig schon, doch SAXON mobilisieren erstaunliche Menschenmassen. Biff und seine Band haben eine gelungene Videoshow im Hintergrund laufen, welche das 40igjährige Jubiläum der Band mit vielen coolen alten Fotos zelebriert. Dazu kann die Lichtshow nur als bombastisch bezeichnet werden, der fette Adler hängt im Gebälk, hoffentlich hat Strecker hart draufgehalten! Auch der Sound ist fantastisch und so schrauben wir uns bei bester Laune die letzten Humpen in den Schädel und schmettern alle neunzehn Kracher der Setlist mit. Pisspausen geraten zum Ärgernis, weil doch einfach kein Stinker oder ein ödes Solo kommen will. Nope, SAXON wissen, wie man eine Festivalmeute am letzten Tag bei der Stange hält: Ballern, Junge! Ich will die Songs nicht nennen, die auf jedem SAXON-Konzert kommen MÜSSEN, aber gibt’s sonstige Überraschungen? Durchaus, zum Beispiel das selten gespielte „Backs To The Wall“ (erste Single und natürlich auf dem Debut 1979), die gelungene MOTÖRHEAD-Hommage „They Played Rock’n’Roll“ samt Lemmy-Samples oder das einfach nur majestätische „The Eagle Has Landed“ (na gut, letzterer wird immer gespielt, aber heute besonders gut). DER ADLER IST GELANDET!

Strecker: Mittlerweile merkte ich, dass das Festival bereits ein paar Tage andauerte und ich keine 20 mehr bin. Mein Rücken und die Füße taten weh und das Bier schmeckte auch nicht mehr so richtig. Gut, macht Becks Bier nie! Trotzdem schleppte ich mich wieder vor die Hauptbühne, um Saxon zu sehen. Gefühlt spielen Saxen jedes zweite Jahr in Wacken und ich habe diverse Saxon-Shows in den letzten Jahren ausgelassen, so dass es in diesem Jahr mal wieder Zeit wurde. Die Band hat mich richtig überrascht. Die Musiker hatten Spaß bei der Arbeit, die Setlist stimmte und der Sound war gut. Neben Klassikern wie „Strong arm of the law“ oder „wheels of steel“ gab es einige neuere Songs und die Hommage an Lemmy „and they played rock and roll“ zu hören. War alles sehr stimmig und hat mir gut gefallen. Nach dem Konzert gab es noch einen Cocktail zum Abschluss und dann ging es in den Schlafsack.

Matt: Nachdem Saxon in Ende der Achtziger stark an Bedeutung verloren hatten, habe ich die Band viel später zweimal (Dynamo Open Air und Wacken) gesehen, beide Male auf kleinen Bühnen zu frühen Zeiten, und beide Konzerte waren großartig. Daher kann man nur sagen, Kompliment, dass die Band sich wieder auf den Wacken-Olymp gekämpft hat. Und so präsentieren sie uns einen „Solid Ball of Rock“. Und der Song wird auch gespielt, aber er steht auch stellvertretend für den soliden Hardrock der Briten und die Show. Diese besteht außerdem nicht aus einer hochenergetischen Liveshow – das erwartet wohl auch niemand, denn schließlich ist z.B. Sänger Biff Byford bereits stolze 68 Jahre alt. Aber mein lieber Scholli, was für eine kraftvolle Stimme der Mann nach wie vor hat, das ist echt beeindruckend. Aber zurück zur Show. Es werden die ganze Zeit Diashows und Videos gezeigt, dabei wechseln sich Schnipsel aus der Bandhistorie mit Computeranimationen ab, die die gerade gespielten Songs unterstützen. Ziemlicher Augenschmaus, das. Hin und wieder senkt sich ein gigantischer Metalladler über die Bühne, passend natürlich zu dem Song und Motto „The Eagle has landed“, auch wenn es hier ja um die erste Mondfähre geht. Einen großen Anteil nimmt eine Hommage an Lemmy ein, mit dem die Band eine gemeinsame Geschichte verbindet und von deren gemeinsamer Tour der Song „They played Rock and Roll“ zeugt. Auch andere Hits und Highlights werden brav geliefert, so z.B. „Wheels of Steel“, „Strong Arm oft he Law“, „Denim und Leather“, und als Zugabe noch „Crusader“ und „Princess of the Night“. Ein Fest für alle Freunde des klassischen Hardrock komplett mit Leder und PS-geschwängerten Zweirädern. Die Texte wirken auf mich von heute aus gesehen eher etwas drollig. (Die solltest du dann aber mal genauer studieren. Mega interessant und häufig über historische Ereignisse. Anm. Philipp. Hab ich gemacht. Ändert nix an meiner Meinung und schliesst sich nicht aus. Matt) Ob SAXON etwas aus der Zeit gefallen sind (Hä? Anm. Philipp) oder einfach zeitlos (Hier ist dein Kreuz zu machen, mein Lieber. Anm. Matt), mag jeder für sich entscheiden, auf jeden Fall sind viele zufriedene Gesichter rund um mich zu sehen.

 

FROG LEAP 

Matt: Nach SAXON sind die Beine schon ziemlich schwer, aber Rainer überredet mich noch, das Festival im Zelt beim offiziellen Abschlussgig der Norweger FROG LEAP zu beenden. Ich muss sagen, ich bin megaskeptisch, ist FROG LEAP doch das Projekt des Youtube Hypes um Leo Moracchioli, der in seinem Studio Songs vermetalt. An mir ist das weitestgehend vorbeigegangen (im Gegensatz zu seinen 3,3 Mio. (!) Followern auf Youtube), und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er das auch überzeugend auf die Straße bzw. Bühne bringen kann. Mein lieber Mann, selten habe ich mich so geirrt. Das Zelt ist brechend voll und bereits mit dem ersten Song hat mich die Band – „Ghostbusters“. Ab hier ist nur noch Party angesagt und die Band samt Leader Leo erweist sich als derbe geile Liveband, die abgeht, als hätten Sie bei jedem Youtube-Video tausende von Zuschauern im Hintergrund. So prügelt und feiert sich die Band durch einen bunten Strauß von Coversongs, alle im Thrashgewand gekleidet, von Pink („Try“) über Adele („Hello“), „Killing in the Name of“ (Heute schon zum zweiten Mal gehört) und dem unvermeidlichen „Africa“ von Toto. Gänsehautfeeling kommt dann bei „Zombie“ von den Cranberries auf, das buchstäblich das ganze Zelt den Refrain mitsingt. Puh, beim Schreiben dieser Zeilen kribbelt es schon wieder. Zum Abschluss gibt es dann noch „A new Level“ von Pantera, der einzige Song, der weitestgehend in der Originalversion verbleibt. Zum Abschluss des Wacken XXX ein würdiger Gig, und vielleicht für mich nochmal DIE positive Überraschung des Festivals neben den PROPHETS OF RAGE.

 

FAZIT

Strecker: Auch wenn vermutlich nicht nur ich eine wirklich große Band zum 30 jährigen Jubiläum erwartet und vermisst haben, habe ich mehr als genug Bands gefunden, die mich interessierten und die ich gerne gesehen habe. Trotz einiger Kritikpunkte und relativ hoher Preise war es wieder ein schönes und gelungenes Festival. Ich freue mich auf Wacken 31 und Bands wie Mercyful Fate, Judas Priest, Nervosa, Death Angel, Sick Of It All und Venom.

Philipp: Ich finde das Gejammere über „zu wenig große Bands“ unwürdig. Wenn UFO, URIAH HEEP oder KROKUS für euch nicht groß genug sind, dann habt ihr meiner Meinung nach eine schräge Wahrnehmung. Und was sind schon große Bands heutzutage? Dazu gehören halt auch BÖHSE ONKELZ, RAMMSTEIN, SABATON etc. Wollt ihr wirklich noch mehr davon? Be careful what you wish for…

Was ich eher vermisse, ist das Gespür für Entwicklungen im Underground. Dieses Jahr gab es keine NWOTHM-Combo und kommt aus der Richtung nicht ohne Ende hochwertiges Zeug? Oder Doom/Sludge, da waren, glaube ich, lediglich WINDHAND vertreten. Aber das Billing fürs nächste Jahr stimmt mich milde, JUDAS PRIEST, MERCYFUL FATE, DIRKSCHNEIDER, ANNIHILATOR, OVERKILL, VENOM, AT THE GATES, DEATH ANGEL, SICK OF IT ALL, HYPOCRISY, SODOM – zum Teil mit speziellen Shows. Und dann darf man auf diese Azteken/Maja-Optik gespannt sein. Klingt interessant!

Matt: Was bleibt? Es war schön, mal wieder hier zu sein, der Klamaukfaktor ist deutlich zurückgefahren worden im Gegensatz zu den letzten Jahren, und das Festival besinnt sich wieder mehr auf seinen Markenkern. Für mich auch positiv, dass alle Bühnen und Veranstaltungen wieder auf einem Fleck sind und nicht mehr – wie noch vor einigen Jahren – in das Campinggelände hineinmäandern. Die pure Anzahl an Veranstaltungen überfordert mich aber und ich habe das Gefühl nicht einmal 10% von allem mitbekommen zu haben. Naja, ist ja nicht per se schlecht, aber ich habe dieses Jahr weniger Bands gesehen, die ich vorher kaum kannte. Negativ für mich ist neben der Auswahl einiger Stände (so hat ein Bundeswehr-Rekrutierungsstand auf dem Wacken nichts zu suchen) vor allem die schiere Größe des Festivals. Ich empfinde die Entfernungen einfach als zu groß, so dass man viel Programm verpasst, wenn man sich mal kurz auf ein Bierchen und einmal Beine hochlegen zum Camp begibt. Dass dann große Mengen des Festivalpublikums zum absoluten Headliner SLAYER wegen Überfüllung gar nicht auf das Gelände gelassen werden, stößt mir sehr sauer auf und ist für mich das Lowlight des Festivals. Wie gesagt, ist schön mal wieder hier zu sein und bei der Masse an Bands findet man auch immer was für den eigenen Geschmack, aber nächstes Jahr werde ich vermutlich eher wieder auf einem kleineren Festival mit spitzerer Genreauswahl zu finden sein.

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