CARNIVORE A.D., REAVERS / 25.06.2023 – Hamburg, Bambi Galore

5 Dislike0

Als ich neulich in einem US-Comic blätterte, stieß ich auf folgende Worte: “Featuring ex-members of SHEER TERROR, CRUMBSUCKERS, KREATOR and WHIPLASH: CARNIVORE A.D.” Dazu Tourdaten und ein Bild, welches perfekt zu einem dritten CARNIVORE-Album gepasst hätte (Knarrenheinz vor brennender Apokalypse) und darunter der Spruch: “Dedicated with love and honor to the memories of PETER STEELE and KEITH ALEXANDER”. Und wer spielt heute im Bambi? Genau diese Band! Konsequenz: Hin da!

 

CARNIVORE A.D.

Bilder von Torsten Matzat.

 

Wir ballern dank DB im Hyperspeed durchs ausgedorrte Land, kommen pünktlich an und ich begebe mich just vor die Bühne, als die REAVERS auch schon loslegen. Schnell fällt auf, dass die Thrasher:innen tighter geworden sind. Mit einem Affenzahn wetzen die Riffs aus der Bambi-Anlage. Gespielt werden auch ein paar ganz neue Stücke, die mir noch geiler als das bisherige Material vorkommen. Für einen Fünfer bekommt man heute eine CD, die einen Vorgeschmack aufs nächste Album geben soll und „Violator: Limited Live Show Pre-Release Edition“ betitelt ist (50 Exemplare). Sehr eindringlich brennen sich „Violator“ und „The Fifth Season (Nuclear Winter)“ ins Hirn, was nicht zuletzt an den fies-charismatischen Riffs und dem räudigen Gesang liegt. Bei beiden Stücken kannst du mit Schaum vorm Mund mitbölken: „Violator, Violator, Violator!“ oder auch „Hell On Earth! Hell On Earth!“. Das alles gefällt mir bereits sehr gut, die Kirsche auf der Torte setzt Klitz durch deftige Diss-Ansagen gegen Till Lindemann und Putin. Gut so!

 

REAVERS 

 

Die Spannung steigt nun mit jedem Moment, denn CARNIVORE sind ein hochemotionales Thema. Peter Steele hat oft und gern provoziert, ist dabei ganz sicher auch übers Ziel hinausgeschossen, war aber meiner Meinung nach unterm Strich eher ein sensibler Mensch, dessen Leben tragisch und viel zu früh geendet hat. Die beiden CARNIVORE-Alben mag ich lieber als TYPE O NEGATIVE, was subjektiv ist. Aber beide Platten faszinieren bis heute mit einer Mischung aus wilder Rohheit und erstaunlich differenzierten Zwischentönen, dazu die kranken Texte über eine Welt nach der nuklearen Vernichtung der Zivilisation. Können Joe Cangelosi (KREATOR, WHIPLASH, MASSACRE…), Baron Misuraca (SHEER TERROR, VASARIA) und Chuck Lenihan (CRUMBSUCKERS, THE AGGROS, VASARIA…) diesen sehr eigenen Spirit einfangen? Ich habe die „echten“ CARNIVORE lediglich einmal gesehen (siehe Bericht), war ansonsten auch bei der Tributeshow, die Musiker von EROSION und WARPATH damals im Logo auf die Beine gestellt haben. Vor dieser Erfahrung und dem unzähligen Genuss der beiden bereits erwähnten LPs sage ich: Ja! Los geht es mit „Predator“ und wir staunen, wie sehr Baron Misuraca schon optisch dem Original ähnelt. Er ist zwar deutlich kleiner, seine extrem langen schwarzen Haare und das kantige Gesicht erinnern doch sehr an „Lord Petrus“ Steele. Wichtiger sind natürlich der knarzige Basssound und die unmenschliche Kehle! Bei CARNIVORE muss es klingen, „als wäre sein Gesangspart im New Yorker Kanalisations-System aufgenommen worden“ (Joachim Prein, zitiert nach Matthias Herr).

 

CARNIVORE A.D.CARNIVORE A.D.

 

Und das tut es durchaus, immer wieder liefert Baron diese raubtierähnlichen Schreie und vermag auch den tiefen Bariton zu imitieren, den Steele bei CARNIVORE noch seltener einsetzte als später bei TON. Ich kann nicht anders und brülle mit: „They live beneath the ruined city, call the subways home / Anxiously wait to see the sun and a land as of yet unknown / Gone below to escape the death of the nuclear winter / Ice and darkness due penance for the sinners“. Joe Cangelosi überzeugt mit seinem feinsinnigen und konzentrierten Spiel, gleichzeitig achtet er besorgt auf die slamdancenden Kids in der ersten Reihe, schließlich hat Baron keine Hand frei, mit der er den schaukelnden Mikroständer abwehren könnte. Super auch Chuck Lenihan, der übrigens neulich mit PRO-PAIN zusammen den CRUMBSUCKERS-Classic „Sit There“ live dargeboten hat. Schließlich umfasst dieses Gitarrenspiel eine Vielzahl von Genres, kommt aus dem Hardcore, mäandert in den Thrash Metal, schlägt einen Bogen über bluesige Einflüsse zum Punk und weiter zum Speed Metal. CARNIVORE A.D. scheuen sich nicht, heute die kontroversesten Songs wie „Race War“, „Jesus Hitler“, „Carnivore“, „Angry Neurotic Catholics“ oder „God Is Dead“ zu bringen. Der Band ist es gleichzeitig ein Anliegen, sich eindeutig gegen Rassismus zu positionieren, was Baron in einer längeren Ansage verdeutlicht. Auch die Liebe zu Peter Steele und Keith Alexander wird zur Sprache gebracht. Steele hätte ganz sicher Barons Humor geteilt, etwa wenn dieser bei „God Is Dead“ zum Mitsingen auffordert und danach mit theatralischer Geste versichert: „this warms my heart“. Was für eine Nummer aber auch, allein dieser Kuhglockenpart! Das Trio brennt insgesamt mächtig einen ab und wir vermissen danach nur wenige Songs, etwa „Thermonuclear Warrior“. Aber im November wolle man wiederkommen, vielleicht spielen sie das Ding ja dann?

 

CARNIVORE A.D.CARNIVORE A.D.

 

IT’S A SIN – IT’S NOT A SIN!

Kommentar schreiben


Sicherheitscode
Aktualisieren

Bewertung: 5 / 5

Stern aktivStern aktivStern aktivStern aktivStern aktiv