CYNIC, OBSCURA, CRYPTOSIS / 28.03.2024 – Hamburg, Logo

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Man darf wohl ganz nüchtern und sachlich festhalten, dass CYNIC mit „Focus“ 1993 einen Klassiker erschaffen haben. Mastermind Paul Masvidal war zu dem Zeitpunkt durch sein Mitwirken am 1991er „Human“-Album von DEATH bereits eine Legende (auf der zweiten MASTER hat er auch gespielt). In meinen Ohren hatten CYNIC den progressiven Death Metal weiterentwickelt zu einer Mischung aus Metal und Fusion. Da kannst du dich förmlich hineinlegen und wirst von dieser sphärisch fließenden Musik davongetragen. Nach dem Tod der beiden Urmitglieder Sean Reinert (Drums & Keys) und Sean Malone (Bass) im Jahr 2020 (R.I.P.) galt es als unwahrscheinlich, dass man CYNIC noch mal live erleben kann. Umso größer die Freude, als diese Tour angekündigt wurde, und dann auch noch mit OBSCURA und CRYPTOSIS!

 

CYNIC

Bilder von Börbel, Petrunella, Rüdiger Naffin und MJ. 

 

 

CRYPTOSISCRYPTOSIS

 

Das Logo füllt sich sehr gut und man trifft extrem viele Bekannte. Obwohl progressiver bzw. technischer Death/Thrash Metal ein eher spezielles Subgenre darstellt, können sich gerade auf diese drei Bands doch viele Leute einigen. CRYPTOSIS, ehemals als DISTILLATOR gestartet, eröffnen den Reigen mit viel Wucht und Liebe zum Detail. Schon optisch wird einiges geboten, an den Mikroständern befinden sich futuristische Apparaturen, ein Laptop mit Visualisierungen scheint für Klick, Intros, Hintergrundgeräusche und eventuell Pedalboard-Steuerung zu dienen. Mit „Decypher“ vom „Bionic Swarm“ geht es gleich in die Vollen. Ein Sturm aus scharfen Riffs und atemberaubenden Drumming vernebelt mir die Sinne (mit Bühnennebel wird dazu auch nicht gerade gegeizt). Das Schöne an CRYPTOSIS ist, dass sie sich – ähnlich wie VEKTOR – nicht im Technischen verlieren, vielmehr mit gehöriger Power agieren. „Death Technology“ kann man gar als eingängig bezeichnen, peitscht auf jeden Fall gut rein, sodass die Temperatur im Logo pervers ansteigt. Mir gefällt auch der neue Song „The Silent Call“, der sich auf einer neuen EP befindet und durch harsche Vocals, trippige Keyboards und Tremolo-Pickings überzeugt. Daumen hoch für die Niederländer, besagte EP wird natürlich gleich abgeerntet.

 

CRYPTOSISCRYPTOSIS

 

 

OBSCURAOBSCURA 

 

Noch mehr Nebel, noch mehr Action, das fällt von Anfang an bei OBSCURA auf. Ich habe die Bayern seit 2010 nicht mehr gesehen, fühle mich aber sofort „zu Hause“. Mit ihrem Prog Tech Death passen sie einerseits sehr gut zu CYNIC, bilden aber doch im Vergleich einen aggressiveren Gesamteindruck ab. Das ballert vehement. Kranke Soli, Blastbeats, Growls auf der einen Seite, auf der anderen virtuose Melodien und wunderschöne Akustikparts. Herrlich auch die teils jazzigen Bassläufe. Zu meiner Freude spielen OBSCURA das geniale Instrumental „Orbital Elements“ vom „Cosmogenesis“-Album (2009), was für eine Abfahrt! Überhaupt zeigen OBSCURA ein gutes Händchen für eine gelungene Setlist, die sich gen Abschluss durch die Fan-Favoriten „The Anticosmic Overlord“, „Septuagint“ und „When Stars Collide“ noch einmal steigert. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahne: Gitarrist und Sänger Steffen Kummerer wird heute noch einen weiteren Auftritt haben!

 

OBSCURAOBSCURA

 

 

CYNIC CYNIC

 

In Sachen Headbanging und Bühnenaction haben CYNIC gar nicht erst vor, es den anderen Bands gleichzutun. Obwohl ich sonst Bewegung auf der Bühne schätze, würde es zu dieser Band nicht passen. Der – ha – Fokus liegt auf der Musik. Die wird äußerst konzentriert und mit unfasslicher Präzision dargeboten. Der Nebel dräut immer stärker und dichter herauf, so dass die Fotograf:innen bestimmt nichts zu lachen haben. Das sorgt für einen eigentümlichen Effekt: Es gibt bei CYNIC ja zwei Stimmen in verschiedenen Gesangsstilen. Einmal ist es der eher entspannte, leicht verzerrt-verfremdete Gesang Paul Masvidals. Dazu kommen genretypische Growls. Doch wer ist für letztere eigentlich gerade zuständig? Ich bin nicht der einzige, dessen Augen die Bühne absuchen und nicht wenige mutmaßen schon, dass die Growls vom Band kommen. Erst im letzten Drittel, als sich der Nebel mal etwas senkt, entdecke ich Steffen Kummerer im Hintergrund an einem Mikro stehen! Paul Masvidal stellt ihn dann auch vor und bedankt sich für diesen Einsatz. Aber der eigentliche Hammer ist die Setlist: CYNIC spielen das gesamte „Focus“-Album! Für mich bewährt es sich wieder, dass ich mich im Vorfeld eines Konzertes nicht mit der zu erwartenden Setlist beschäftige. Umso schöner ist die Überraschung! Von „Veil Of Maya“ bis „How Could I“ ein einziger Genuss, ein schwebehafter Rauschzustand. Ich möchte hier gar nicht auf die einzelnen Musiker eingehen, denn das Zusammenspiel aller befindet sich in einem schon magisch zu nennenden Flow. Die Tatsache, dass auch die zweite Hälfte des Konzertes das Niveau hält, zeigt vielen Anwesenden, dass sie noch einige Lücken in ihrer CYNIC-Sammlung schließen müssen. Was für ein toller Abend!

 

CYNICCYNICCYNIC

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